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Ölgelder werden weltweit angelegt. | Joint Venture mit Italiens Rüstungskonzern. | Er ist mit Sicherheit der einzige Revolutionsführer, der an einer österreichischen Aktiengesellschaft beteiligt ist: Muammar al-Gaddafi hat sich entschlossen, mit dem Staatsfonds Libyan Investment Authority (LIA) bis zu zehn Prozent an der Wienerberger AG zu erwerben - womit er sogleich größter Einzelaktionär des Ziegelkonzerns werden könnte. Der überraschende Deal im Zuge einer Kapitalerhöhung macht es möglich, dass die Österreicher ihre Schulden reduzieren können und der ebenso schrullige wie unberechen-bare Libyer sein einst schreckliches Image weiter verbessern kann.
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Der 67-jährige Colonel, der exakt vor vierzig Jahren per Militärputsch an die Macht kam, zehn Jahre lang Libyens Staatsoberhaupt war und bis heute die Politik des nordafrikanischen Staates bestimmt, hat etwas Unglaubliches geschafft: Trotz langjähriger Wirtschaftssanktionen wegen seiner terroristischen Ambitionen verstand er es, im internationalen Geschäft erfolgreich mitzumischen.
Gaddafi, gemäß Eigendefinition "Bruder Revolutionsführer, Vorsitzender der Afrikanischen Union, König der Könige von Afrika und Repräsentant der afrikanischen Führer und Präsidenten", investiert die Öleinnahmen seines Landes nach wie vor auf erstaunlich kluge Weise. Und dies nicht erst, seit die UNO die Sanktionen gegen Libyen 1999 aufgehoben und die EU 2004 eingelenkt hat.
Bereits 2001 hatte Libyen weltweit - kurioserweise auch in den USA - rund 7 Mrd. Euro angelegt. Schon damals soll das Land an 72 Unternehmen in 45 Ländern beteiligt gewesen sein. Der Reichtum der Nordafrikaner hat primär mit den üppigen Ölvorkommen zu tun, die rund 15 Prozent der Opec-Förderung ausmachen.
Die sprudelnden Öleinnahmen werden vom Staatsfonds LIA verwaltet, der im August 2006 gegründet wurde und derzeit bereits über 65 bis 70 Mrd. Dollar verfügt. Der diskret agierenden Holding, die verschiedene Investmentfonds managt und sich auf den internationalen Finanzmärkten umtut, wurde unter anderem das Vermögen der einstigen libyschen Investmentfirma Lafico übertragen (siehe Kasten).
Die Libyan Investment Authority, die nun auch bei Wienerberger einsteigen wird, zählt zu jenen Staatsfonds, die auf ihrer permanenten Beutejagd reihenweise Unternehmen schlucken und daher vielen ein Dorn im Auge sind.
Technologietransfer
Sie rangiert zwar, was ihre finanzielle Potenz anlangt, noch ziemlich weit hinter den Topinvestoren aus den Arabischen Emiraten, Saudi Arabien, Kuwait oder China, erregte aber speziell in jüngster Zeit Aufmerksamkeit. Die Libyer konzentrieren sich beispielsweise auf London, wo sie im Juli für stolze 258 Mio. Dollar das Portman House in der Oxford Street erstanden; im vergangenen Dezember schlugen sie mit 200 Mio. ebendort zu und kauften ein prestigeträchtiges Bürohaus vis à vis der Bank of England - weitere Immo-Coups werden folgen.
Im Vergleich zu Firmenjägern aus anderen Ölstaaten lässt sich bei Gaddafis Finanzprofis allerdings noch keine klare Strategie erkennen. Das kanadische Sovereign Wealth Institute attestiert ihnen auf Grund geringer Transparenz in einem einschlägigen Ranking lediglich zwei Punkte von zehn möglichen. Dieser skeptischen Einschätzung kontert LIA-Chef Mohamed Layas mit den Worten: "Wir wollen transparent in den Zielen und ein langfristiger Investor sein." Seine Holding habe es primär auf Energieversorger, Pharmaunternehmen sowie High-Tech-Firmen abgesehen. Sie strebe den Abschluss von Joint Ventures, vorwiegend mit europäischen Unternehmen an, um den Technologietransfer nach Libyen zu forcieren.
Der Gaddafi-Fonds, der seine Beteiligungen nicht veröffentlicht, hat sich bislang vor allem in Italien engagiert: Libyen, einst eine italienische Kolonie, stieg bereits 1997 bei der Banca di Roma ein, die nunmehr UniCredit heißt. Vor rund einem Jahr baute die LIA ihren Anteil an der Bank-Austria-Mutter auf fast fünf Prozent aus, womit sie drittgrößter Aktionär ist.
Libyen besitzt weiters 30 Prozent an der Textilfirma Olcese, die etwa Benetton und Armani mit Stoffen beliefert und ist seit Anfang 2002 mit fast zwei Prozent an Fiat beteiligt. Das war allerdings schon der zweite Anlauf: Die Libyan Arab Foreign Investment Co., seit 1976 mit 400 Mio. Dollar bei Fiat engagiert, musste ihre Anteile - rund 15 Prozent - im Herbst 1986 für 3 Mrd. Dollar aus politischen Gründen an die Familie Agnelli und zwei Banken abtreten - die Amerikaner hatten sich massiv gegen die Beteiligung quergelegt.
Gaddafi, der sich mit Silvio Berlusconi blendend versteht, hält weiters beim Fußballverein Juventus Turin 7,5 Prozent der Aktien und soll großes Interesse zeigen, auch den - dem italienischen Ministerpräsidenten gehörenden und hochverschuldeten - AC Mailand zu retten. Kolportiert wird ein Verkaufspreis von 600 bis 800 Mio. Euro.
Damit aber nicht genug: Die Libyer peilen seit gut einem Jahr mit Hochdruck eine Beteiligung an der Telecom Italia sowie an Italiens Energieversorger Eni an, der in Libyen stark engagiert ist. Im Fall Telecom etwa haben sie sich bereit erklärt, für ein 10-prozentiges Aktienpaket bis zu 3 Mrd. Euro flüssig zu machen. Man darf gespannt sein, wann sie ihre derzeitigen Anteile an beiden Unternehmen ausweiten können.
Der einstige Schurkenstaat ist jedenfalls salonfähig geworden: Im August 2008 schlossen Berlusconi und Gaddafi einen sogenannten "Freundschafts-vertrag" über 5 Mrd. Dollar ab, die als Entschädigung für die Kolonialzeit an Tripolis gehen sollen. Das Geld wird in den nächsten zwanzig Jahren in libysche Infrastrukturprojekte fließen, die von italienischen Firmen ausgeführt werden.
Das war indes nicht der einzige Coup des Revolutionsführers, der auch bei seinem Rom-Besuch im Juni in seinem Beduinenzelt residierte, wie gewohnt bewacht von 40 Leibwächterinnen. Schon Ende Juli besiegelte die LIA ein Joint Venture mit dem staatlichen Rüstungs- und Raumfahrtkonzern Finmeccanica. Dabei geht es um eine Zusammenarbeit in der militärischen und zivilen Luftfahrt für die Märkte Afrika und Naher Osten. Außerdem sind gemeinsame Investitionen in mehrere Geschäftsfelder vorgesehen, darunter die Bereiche Signalsysteme, Eisenbahnen, Luftfahrt und Energie. Die Libyer haben dem Vernehmen nach vom italienischen Staat bereits Finmeccanica-Aktien erworben - eine namhafte Beteiligung wird allerdings von allen Beteiligten in Abrede gestellt.
Engagement in Afrika
Gaddafi setzt aber nicht nur auf Italien, dessen wichtigster Öl- und Gaslieferant Libyen ist. Er pumpt auch in afrikanische Länder eine Menge Geld - mit dem klaren Ziel, sie politisch abhängig zu machen.
Selbst in den USA, die in Gaddafi jahrelang einen gefährlichen Staatsfeind sahen, gilt er dank seines vor zehn Jahren gestarteten Schmeichelkurses nicht mehr als Buhmann. Im Mai 2006 nahmen die beiden Länder wieder diplomatische Beziehungen auf, und in jüngster Zeit kam es zu einer deutlichen Entspannung, weil Gaddafi Barack Obama schon im Wahlkampf verbale Rosen streute: "Die Menschen in der arabischen und islamischen Welt applaudieren ihm und beten, dass er die Präsidentschaft gewinnen wird."
Starke Unstimmigkeiten gibt es hingegen mit der Schweiz. Seit Gaddafis Sohn Hannibal samt Frau Mitte 2008 in einem Genfer Hotel wegen Randalierens festgenommen wurde, ist er auf das Alpenland schlecht zu sprechen. Erst kürzlich bezeichnete er die Eidgenossen als "Helfer des Terrorismus" und schlug vor, das Land zu zerschlagen und auf die umliegenden Staaten aufzuteilen. In seinem Frust zog er gleich mehr als 5 Mrd. Franken von Schweizer Banken ab.
Das Gaddafi-Imperium
Die Libyan Investment Authority (LIA) wurde im Dezember 2006 gegründet, beschäftigt 75 Mitarbeiter und ist die Speerspitze des libyschen Investmentapparats. Neben einigen Beteiligungen in Italien gehören ihr zehn Prozent an der First Energy Bank in Bahrain - der jüngste Coup gelang ihr mit dem rot-weiß-roten Ziegelkonzern Wienerberger. Zum Gaddafi-Imperium zählen folgende Säulen:
Die Libyan Arab Foreign Investment (Lafico), 1981 gegründet, hat 310 Mitarbeiter und unterhält Büros in Rom, Malta und Marokko. Die Investmentgesellschaft, die von der LIA kontrolliert wird, konzentriert sich auf die Bereiche Handel, Immobilien, Hotels und Finanzservice. Ihre zumeist 100-prozentigen Tochterfirmen sitzen beispielsweise in Ägypten, Jordanien, im Sudan, in Algerien und Großbritannien. Überdies ist sie an 20 Gesellschaften beteiligt, darunter Libyan Airlines, Arab Petroleum Services Company oder Kingdom Hotel Investments in den Emiraten.
Die Libyan African Investment Company besteht aus etwa 25 in ganz Afrika verstreuten Gesellschaften, die sich auf die Sektoren Industrie, Landwirtschaft, Tourismus und Telekommunikation fokussieren. Das Spektrum reicht von Hotelketten bis zu Investmentfirmen.
Das Libyan African Investment Portfolio, das von der LIA gemanagt wird, wurde 2006 von der Regierung mit einem Startkapital von 5 Mrd. Dollar gegründet. Ziel: Die Entwicklung afrikanischer Staaten in den Bereichen Bergbau, Landwirtschaft, Tourismus und Telekommunikation fördern. Mittlerweile macht das Investment 8 Mrd. Dollar aus - die in der Schweiz angesiedelte Gesellschaft ist in 19 afrikanischen Staaten tätig. Sie kümmert sich etwa um den Reisanbau in Liberia.
Die Oilinvest International wurde 1988 formiert, nachdem Libyen die beiden Firmen Tamoil und Gatoil erworben hatte. Hauptaktionär war zunächst die National Oil Corporation - die Gesellschafterstruktur wurde jedoch mehrmals geändert, und letztlich wurde sie der LIA unterstellt. Die Oilinvest verfügt über ein Netzwerk aus 27 in Firmen in Europa und hat zwei Töchter: die Oilinvest Netherlands mit 14 Ablegern, etwa der Tamoil, und die Oilinvest Curacao mit 10 Unterfirmen.
Tamoil ist die wichtigste Einheit der Gruppe und ist zu 100 Prozent im Besitz des libyschen Staatsfonds. Sie setzt 10 Mrd. Euro um und beschäftigt 1700 Mitarbeiter. Ihr gehören Raffinerien in Italien, der Schweiz und Deutschland. Sie betreibt in fünf europäischen Ländern mehr als 3000 Tankstellen.