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Gaddafi-Sohn droht Strick

Von Michael Schmölzer

Politik

Den Haag will Auslieferung, ein Kompromiss ist wahrscheinlich.


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Tripolis/Kairo. Einen Monat nach dem Tod Muammar Gaddafis droht dessen Sohn Saif al-Islam das gleiche Schicksal. Der 39 Jahre alte ehemalige Freund des verunfallten Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider ist am Wochenende in der libyschen Wüste aufgegriffen worden - jetzt wollen ihn seine Landsleute vor Gericht stellen, verurteilen und exekutieren. Gleichzeitig liegt gegen Gaddafi ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag vor. Dort ist er wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.

Es sei das gute Recht des Volkes, Saif al-Islam in dessen Heimat vor Gericht zu stellen, so der libysche Ministerpräsident Abdul Raheem al-Keeb. Das nordafrikanische Land hat 42 Jahre unter der Herrschaft der Gaddafis gelitten, jetzt will man Genugtuung. Der Westen, der den Sturz Muammar Gaddafis militärisch massiv unterstützt hat, fordert eigentlich die Auslieferung Saifs nach Den Haag. Jetzt wird fieberhaft an einem Kompromiss gearbeitet. Demnach könnte dem Angeklagten in Libyen der Prozess gemacht werden, Richter des Internationalen Strafgerichtshofes wären aber als Beobachter zugelassen. Der Haager Chefankläger Luis Moreno Ocampo will diese Woche nach Tripolis fliegen und mit der neuen Regierung über das Verfahren sprechen. In Den Haag will man sicherstellen, dass Saif einen fairen Prozess bekommt.

Die Gefangennahme Muammar Gaddafis und dessen Tod unter nicht ganz geklärten Umständen sind in Europa und den USA auf Kritik gestoßen. Es liegt der dringende Verdacht nahe, dass der Diktator nach der Festnahme kurzerhand hingerichtet worden war. Das Gutachten eines libyschen Pathologen scheint das zu bestätigen. Die libysche Führung vertritt die Version, wonach Gaddafi bei einem Schusswechsel zwischen Rebellen und Gaddafis Leibwächtern ums Leben gekommen ist.

Saif Gaddafi ist ein derartiges Schicksal zumindest vorläufig erspart geblieben. Er befindet sich allerdings immer noch nicht in der Obhut der libyschen Justiz sondern in der Hand jener Miliz, die den ihn aufgestöbert und festgenommen hat. Die Kämpfer betonen, man werde Saif al-Islam nicht hinrichten. An die libysche Justiz werde er aber erst dann ausgeliefert, wenn Premier al-Keeb die Regierungsbildung abgeschlossen habe, so die Milizionäre. Bis dahin bleibt Saif Gaddafi in Zintan, wohin er mit einem Flugzeug gebracht worden war. Die Liste mit den Namen der neuen libyschen Regierung soll noch heute vorliegen.

"Saif hatte Todesangst"

Saif al-Islam Gaddafi soll für tausende Tote verantwortlich sein und hat den libyschen Rebellen zuletzt mit der gnadenlosen Niederschlagung des Aufstandes gedroht. Das Regime werde "bis zum letzten Mann und der letzten Frau kämpfen", so Saif, der die Ausdrucksweise seines Vaters kopierte. Es werde "Flüsse voll Blut" geben. Vor dem Beginn der Revolution im Februar galt Saif im Westen als Hoffnungsträger. Er setzte sich für Reformen und eine Öffnung des Regimes ein. Saif wurde als der Intellektuelle im Gaddafi-Clan gehandelt, er hat an den London School of Economics und in Wien studiert.

Bei seiner Festnahme trug Saif Gaddafi die braune Tracht der Tuareg und nannte sich Abd al Salaam. Er war in einem Konvoi in Richtung Niger unterwegs, ein Hinweis aus seiner nähren Umgebung führte zur Festnahme. "Er dachte, dass wir ihn umbringen", berichtet ein libyscher Kämpfer über die Ergreifung. Mit dem Gaddafi-Sohn wurde Ex-Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi gefasst. Dieser hielt sich offenbar in der Wüstenstadt Sabha im Haus seiner Schwester versteckt. Der Ex-Vertraute Muammar Gaddafis wird so wie Saif Gaddafi vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gesucht.