Kairo - Die 25 Mill. US-Dollar für die Freilassung der westlichen Geiseln scheinen für Libyens Revolutionsführer Muammar Gaddafi eine gute Investition in die Zukunft. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) dankte Gaddafi und dessen Sohn Seif el Islam (Schwert des Islam) ebenso persönlich wie Politiker aus Frankreich und Südafrika.
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Öffentliches Lob für Libyen hört man selten. Noch Anfang April hatten westliche Diplomaten nach Gaddafis Rede beim Europa-Afrika-Gipfel in Kairo nur den Kopf geschüttelt. "Eure Systeme sind nicht demokratisch, sondern Diktaturen", und: "Wir brauchen keine Demokratie, sondern Wasserpumpen", sagte der 58-Jährige. EU- Kommissionspräsident Romano Prodi äußerte sich "geschockt". Gerade Prodi hatte zuvor allein mit der Absicht, Gaddafi nach Brüssel einzuladen, einen diplomatischen Eklat verursacht.
Gaddafis Signale an Europa gingen in Kairo völlig unter: "Ihr braucht uns, und wir brauchen Euch. Europa hat die Technologie." Seit der Auslieferung der beiden mutmaßlichen Tatbeteiligten beim Lockerbie-Attentat im April vergangenen Jahre versucht der derzeit dienstälteste arabische Herrscher, die internationale Isolierung aufzubrechen. Libyen bietet sich als Brückenstaat von Europa nach Afrika an und als Vermittler in schwierigen Fällen wie der Geiselkrise auf Jolo.
Die Europäische Union stellte Libyen bereits im April vergangenen Jahres in Stuttgart eine Aufwertung vom Beobachterstatus zum Vollmitglied im Dialog mit den Mittelmeerländern in Aussicht. Voraussetzung sei, dass der UNO-Sicherheitsrat die wegen des Lockerbie-Attentates verhängten Sanktionen vollständig aufhebt. Libyen müsste danach seine Blockade-Politik Israels aufgeben.
Im Gegenzug für die erfolgreiche Geisel-Vermittlung hofft Gaddafi aus Sicht von Diplomaten nicht nur auf einen baldigen Staatsbesuch in Europa, sondern vor allem die Hilfe der EU bei der Aufhebung der UNO-Sanktionen und des 1986 von den USA verhängten Handelsembargos. Die US-Sanktionen schmerzen Libyer wie Europäer gleichsam. Ein Vertreter eines großen deutschen Unternehmens, der nicht genannt werden möchte, sagt: "Bei High-Tech haben die Amerikaner den Daumen drauf. Aber keine Anlage funktioniert ohne Computertechnik und Software."
Die US-Regierung lässt Gaddafis Coup ziemlich kalt. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher, sagte, Washington sei gegen jedwede Zahlung von Lösegeld. Dies bringe Libyen keine Pluspunkte in den USA.
Als unmittelbarer Erfolg bleibt Gaddafi vorerst nur ein neuer medienwirksamen Auftritt, wenn er die freigelassenen Geiseln empfängt, die den Umweg über Tripolis in Kauf nehmen müssen. Schließlich stammt der Millionenbetrag aus einer Stiftung von Gaddafis Sohn Saif el Islam (Schwert des Islams). Die Stiftung war vor zwei Jahren ins Leben gerufen worden und soll weltweit Opfern von Tragödien und Katastrophen helfen.