Libyen gerät in diplomatische Isolation | Androhung der Todesstrafe für Protestierer | Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi will Libyen trotz des Drucks der Straße nicht verlassen. In einer Fernsehansprache erklärte er, lieber werde er in Libyen "als Märtyrer" sterben. Gleichzeitig wendeten sich ranghohe libysche Diplomaten von Gaddafi ab. Auch die Arabische Liga mag mit dem Revolutionsführer zur Zeit nichts zu tun haben.
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Aufgrund der gewaltsamen Reaktionen auf die Proteste in Libyen haben sich zahlreiche Diplomaten und andere ranghohe Regierungsvertreter in aller Welt von der Führung in Tripolis distanziert. Libyens Botschafter in den Vereinigten Staaten, Ali Aujali, verlangte am Dienstag im US-Fernsehsender ABC Gaddafis Rücktritt. "Gehen Sie und lassen Sie unser Volk in Frieden", sagte er. Seinen Botschafterposten lege er nieder, weil er nicht länger "einem diktatorischen Regime" dienen wolle.
Mehrere libysche Diplomaten um den Vertreter bei den Vereinten Nationen, Ibrahim Dabbaschi, riefen die libysche Armee zum Sturz Gaddafis auf. Sie nannten ihn einen "Tyrannen" und warfen ihm "Völkermord" vor. Weitere ranghohe Diplomaten traten in Bangladesch, Indien, Schweden und bei der Arabischen Liga zurück. Kritik aus den eigenen Rängen musste Gaddafi auch von den Botschaften in Deutschland, Australien, Malaysia und Marokko einstecken.
Die Arabische Liga erklärte, dass die libysche Regierung so lange nicht an Treffen teilnehmen dürfe, bis die Behörden auf die Forderungen der Demonstranten reagierten und die Sicherheit des Volkes gewährleisteten.
In Libyen legte Justizminister Mustafa Abdel Jalil sein Amt nieder, um "gegen den exzessiven Einsatz von Gewalt" zu protestieren. Der Innenminister Abdel Fattah Junes al Abidi unterstützt einem Fernsehbericht zufolge die "Revolution des 17. Februar". Zwei Piloten der libyschen Armee steuerten ihre Flugzeuge nach Malta, nachdem sie den Befehl erhalten hatten, in der Stadt Benghazi auf die protestierende Menge zu schießen.
Drohungen in Tripolis
Gaddafi erklärte bei einer Ansprache in Tripoli sschreiend: "Ich bin kein Präsident, der zurücktreten kann. Ich werde als Märtyrer sterben wie meine Großväter". Er sei ein beduinischer Krieger, der den Libyern Ruhm gebracht habe.
Seinen Gegnern drohte er mit Gewalt, die Demonstranten der letzten Tage nannte er "junge Leuten, denen man Tabletten gegeben habe". Für die Teilnehmer an den Protesten sei die Todesstrafe vorgesehen, erklärte Gaddafi. Die Protestierenden wollten Libyen in einen islamischen Staat verwandeln, ein "neues Afghanistan".
Bei dem gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Regierungsgegner in Libyen wurden nach Angaben von Menschenrechtlern seit dem 15. Februar mehrere Hundert Menschen getötet. Human Rights Watch zufolge sind allein Tripolis mindestens 62 Menschen getötet worden.
Noch vor der Ansprache erklärten Bewohner der östlibyschen Stadt Tobruk, sie hätten die Kontrolle über die Kommune übernommen.
Rückholaktionen
Währenddessen holen zahlreiche Staaten ihre Bürger aus Angst vor weiteren Gewaltausbrüchen zurück. Österreichische Unternehmen wie OMV, Strabag, oder Porr haben den Großteil ihrer Leute schon ausfliegen lassen.