)
EU-Kommission zögert mit Strafmaßnahmen wegen Verschuldung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel. Ein Tadel ohne Konsequenzen - vorerst: Die Haushaltspläne aus Paris und Rom bereiten in Brüssel zwar keine Freude, doch eine tiefere Bewertung soll es erst im März des kommenden Jahres geben. Die EU-Kommission gewährt damit Frankreich und Italien mehr Zeit für notwendige Reformen. Die zwei Staaten gehören - mit Österreich - zu der Gruppe von sieben Mitgliedsländern, deren Budgetentwürfe gegen die Regeln des Stabilitätspaktes für mehr Haushaltsdisziplin verstoßen könnten. Das könnte ebenso für Belgien, Spanien, Malta und Portugal gelten. Deutschland hingegen erhielt Lob für seinen ausgeglichenen Etat: Der Bundestag in Berlin hat am Freitag mit dem Programm für 2015 den ersten Haushalt seit 45 Jahren verabschiedet, der ohne neue Schulden auskommt.
Am selben Tag legte die Kommission in Brüssel nicht nur ihre Stellungnahmen für die Budgetentwürfe vor, sondern auch den Bericht zum sogenannten Frühwarnmechanismus. Dieser ist Teil des Europäischen Semesters zur Überprüfung der wirtschaftlichen Entwicklung sowie Koordinierung und soll jene Länder identifizieren, wo makroökonomische Ungleichgewichte - also etwa Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt oder im Finanzsystem, mögliche Immobilienblasen oder stark steigende Schuldenquoten - die Wettbewerbsfähigkeit schwächen könnten. Gleich 16 Mitglieder, von Kroatien und Slowenien, über Rumänien und Ungarn, bis zu Irland und Großbritannien, sind davon betroffen und werden daher in den nächsten vier Monaten Gegenstand einer vertieften Analyse sein.
Arbeitslosigkeit bleibt hoch
Bis dahin will die Kommission auch die Entscheidung aufschieben, ob sie Strafverfahren wegen des hohen französischen Budgetdefizits und wegen des italienischen Schuldenbergs einleitet. Sollten die Staaten ihre Bemühungen zur Sanierung aber nicht vorantreiben, würde die Behörde "nicht zögern, ihrer Verpflichtung nachzukommen", erklärte der für Wirtschaft und Währung zuständige Kommissar Pierre Moscovici, der selbst noch zu Jahresanfang Finanzminister in Paris war. Sein ihm vorgesetzter Kollege, Vizepräsident Valdis Dombrovskis, begründete die Galgenfrist damit, dass die Bewertung im Frühling aufgrund von tatsächlichen Entwürfen und nicht lediglich Vorausschauen möglich werde.
Strukturreformen mahnte aber auch er ein. "Wirtschaftswachstum zu erreichen, liegt in unser aller Verantwortung", betonte der Lette. Denn die ökonomische Erholung nach Jahren der Wirtschaftskrise sei noch fragil. Immerhin jedoch sollen laut Prognosen im kommenden Jahr alle Mitgliedstaaten wieder Wachstum verzeichnen.
Nur geringe Auswirkungen wird dies allerdings auf die Arbeitslosigkeit in Europa haben. Die Quote soll nämlich kaum sinken. Noch immer ist in der Union jeder zehnte Bürger ohne Job, und im Euroraum liegt der Prozentsatz noch etwas höher: bei 11,5. Das sind die Zahlen für Oktober, die das Statistikamt Eurostat gerade veröffentlicht hat. Demnach waren in der EU knapp 24,5 Millionen Menschen ohne Beschäftigung. Ein Jahr zuvor waren es knapp 26 Millionen Bürger.
Einen Anschub für die Wirtschaft, aber auch bei der Schaffung von Jobs, erhofft sich die Kommission nicht zuletzt von einem Investitionsprogramm, das Präsident Jean-Claude Juncker Mitte der Woche präsentiert hat. Dabei sollen mit einer vergleichsweise geringen Summe in den kommenden drei Jahren Investitionen im Umfang von 315 Milliarden Euro generiert werden.