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Galgenfrist oder Rettungsanker

Von Rainer Mayerhofer

Europaarchiv
Die Präsidenten von Abgeordnetenhaus und Senat, Fini (links) und Schifani (Mitte) legten mit Präsident Napolitano den Zeitplan für die Krisenlösung fest. Foto: ap

Am gleichen Tag entscheidet das Höchstgericht über das Justizgesetz. | Neuer Auftrag, Expertenkabinett oder Neuwahlen als Alternativen. | Wien/Rom. Galgenfrist oder Rettungsanker für Silvio Berlusconi? Nach der Verabschiedung des Budgets für 2011am 10. Dezember sollen am 14. Dezember Senat und Abgeordnetenhaus gleichzeitig über Vertrauen für oder Misstrauen gegen den italienischen Regierungschef abstimmen. Das vereinbarten Staatspräsident Giorgio Napolitano und die Präsidenten von Senat und Abgeordnetenkammer, Renato Schifani und Gianfranco Fini, am Dienstagabend bei ihrem Treffen.


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Der 14. Dezember wird damit zum Schicksalstag für Berlusconi. Am gleichen Tag will auch das Höchstgericht sein Urteil über das umstrittene Justizgesetz veröffentlichen, das den Regierungschef derzeit vor gerichtlichen Verfolgungen schützt.

Berlusconi zeigte sich nach der Einigung der drei Präsidenten zufrieden und hofft, in den 28 Tagen bis zur Abstimmung auch im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit gegen den Misstrauensantrag der Opposition zusammenzubringen - im Senat hat er sie ja noch gemeinsam mit seinem Koalitionspartner Lega Nord.

Italienische Medien berichten bereits von großem Druck auf einzelne Abgeordnete der Fini-Partei FLI und der oppositionellen christdemokratischen UDC des früheren Kammerpräsidenten Pier Ferdinando Casini, der sich 2008 vom Berlusconi-Lager getrennt hat. Berlusconi setzt vor allem auf Abgeordnete, die erst seit kurzer Zeit im Parlament sind und bei Neuwahlen einen Verlust ihres Mandates und damit ihrer Pensionsberechtigung befürchten müssten.

Weniger glücklich ist man in Oppositionskreisen über die Galgenfrist für Berlusconi. Der Chef der Demokratischen Partei (PD), Pier Luigi Bersani, hätte eine Vorverlegung der Budgetverabschiedung auf den 20. November und eine unmittelbar darauf folgende Misstrauensdebatte vorgezogen. Antonio Di Pietro, Chef der Oppositionspartei Italien der Werte (IDV), meint ebenfalls, dass ein Monat viel Zeit für die Märkte sei, vor allem für den Stimmenkauf unter den Parlamentariern.

Sollte Berlusconi bei der Abstimmung am 14. Dezember wie erwartet im Senat die Mehrheit bekommen, im Abgeordnetenhaus aber verlieren, liegt der Ball wieder bei Staatspräsident Napolitano. Dieser hat drei Alternativen: Er kann Berlusconi neuerlich mit einer Regierungsbildung beauftragen. Dieser könnte sich als Ersatz für die FLI-Abgeordneten die UDC-Fraktion in die Regierung holen, was aber bei Koalitionspartner Lega Nord bisher auf starke Ablehnung gestoßen ist. Napolitano könnte aber auch ein Expertenkabinett bestellen. Für das Amt des Regierungschefs wurde in diesem Zusammenhang in den letzten Tagen immer wieder der Name des Chefs der italienischen Zentralbank, Mario Draghi, genannt. Als dritte Möglichkeit kommen Neuwahlen in Frage, die Berlusconi im Fall seines Sturzes anstrebt. Mit Hilfe seines Medienimperiums hofft er, seine derzeitige Schwäche im Wahlkampf wieder auszubügeln.