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Gambier nach zehn Jahren in Österreich abgeschoben

Von Eva Zelechowski

Politik
Nyatta J. hat nach drei Monaten Schubhaft den Mut verloren und sich bei der zweiten Abschiebung nicht mehr gewehrt.
© Initiative "Nyatta muss bleiben"

"Verstoß gegen EU-Menschenrechte-Charta", sagt sein Rechtsberater Tim Außerhuber.


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Zum zweiten Mal betrat Nyatta J. am Montag ein Flugzeug, mit dem er nach Gambia abgeschoben werden sollte. Anders als vor zwei Wochen in Wien Schwechat, als ein Pilot der AUA den Transport nicht verantworten wollte, konnte seine Abschiebung diesmal nicht verhindert werden. "Es gab sehr breiten Widerstand", sagte J.s Bekannte Daniela (Name von Red. geändert) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" und spricht die Demonstrationen und Online-Petitionen an, die ein Bleiberecht für ihn erwirken sollten. Unterstützung gab es auch in Frankfurt, von wo aus der 34-Jährigen weiter nach Banjul in Gambia abgeschoben wurde: Drei Passagiere standen aus Protest für ihn auf. Vergebens. J. gab nach -  aus Angst vor den Folgen einer weiteren Widersetzung. "Wenn du dich jedes Mal wehrst, kommst du jedes Mal in Schubhaft", sagten die Polizeibeamten zu ihm. Schließlich brach sein Wille.

Der Hintergrund: Zehn Jahre lang hatte Nyatta J. seinen Lebensmittelpunkt in Wien, fünf Jahre davon war er mit einer Österreicherin verheiratet, beherrschte Deutsch auf B1-Niveau und arbeitete. Integriert, wie es so schön heißt. Mit der Scheidung im Jahr 2011 verlor der Gambier das reguläre Visum, das ihn bis dahin zum rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich berechtigte. Im August wurde er in Schubhaft gebracht, "um eine Abschiebung zu sichern", erklärt sein Rechtsberater Tim Außerhuber vom Migrantinnenverein St. Marx der "Wiener Zeitung" am Dienstag. "Es lagen keine zwingenden Hindernisgründe für eine Aufenthaltsgenehmigung vor", so Außerhuber.

In Polizeikreisen wird auf J.s drei Vorstrafen wegen Suchtgiftdelikten und Körperverletzung sowie einen rechtskräftig abgewiesenen Asylantrag hingewiesen, heißt es in einem Bericht von derStandard.at. Laut Außerhuber, der weiterhin das Asylverfahren des Gambiers betreuen will, handelte es sich bei den Vorstrafen um "Lappalien". Tatsächlich lägen keine rechtlichen Aufenthaltsverbote vor, sagt der Jurist. Die Polizei habe eine Ausweisung erlassen, womit es die MA 35 schwer hatte, J.s Verlängerungsantrag positiv zu bewerten.

Recht auf Beschwerdeverhandlung entzogen

Aus verlässlicher Quelle sei dem Rechtsberater am Montagabend bestätigt worden: "Eine gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Mitteilung über die bevorstehende Abschiebung hat es nie gegeben. Weder Nyatta J. noch ich als sein Rechtsbeistand haben eine erhalten." Damit liege ein Verstoß gegen die EU-Grundrechte-Charta vor. Auch die ihm zustehende Berufung durfte der Gambier nicht abwarten, womit ihm das Recht auf eine mündliche Beschwerdeverhandlung entzogen wurde. Während er in der Schubhaft auf eine mögliche Aufschiebung und rechtmäßige Beschwerdeprüfung des Asylgerichtshofs wartete, wurde er abgeschoben. Tim Außerhuber kündigt eine Beschwerde an den dafür zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (UVS) an.

"Herr J. war gut integriert und hat alle Voraussetzungen für ein Visum erfüllt, aber es wird schwierig sein, das von Gambia aus zu beweisen", sagt sein Anwalt. Im Asylverfahren gebe es zwar weiterhin Chancen, aber das hieße nicht, dass er einfach zurückkommen kann. "Ich kennen keinen Fall, in dem der Staat Österreich einen Abgeschobenen zur mündlichen Verhandlung einflogen ließ."

Inzwischen ist Nyatta J. in Gambia zurück. Daniela hat mit ihm telefoniert. Bei der Ankunft hätte zumindest keine Polizei auf ihn gewartet, wie das manchmal bei Abschiebungen der Fall sei. Er würde jetzt vorerst in sein Heimatdorf fahren, wo seine Mutter als letzte Verwandte lebt, und versuchen, nach drei Monaten Schubhaft wieder "zur Ruhe zu kommen".