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Game over?

Von Anja Stegmaier

Politik

Deutschlands Innenminister Horst Seehofer riskiert, im Asylstreit den Rest seiner Glaubwürdigkeit zu verspielen.


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Berlin/Wien. "Das Spiel ist noch nicht aus", rief der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber seinem Parteikollegen Horst Seehofer zu, als dieser im Asylstreit mit der CDU seinen Rücktritt ankündigte. Er könne nicht zur Halbzeit das Spielfeld verlassen, so Stoiber.

Und das Machtspiel geht weiter. Der Spagat wird aber zunehmend schwierig für den deutschen Innenminister. Nicht nur ist das Ansehen des 69-Jährigen angekratzt, weil er einen wochenlangen Machtkampf in der Union vom Zaun gebrochen hat, mit Kanzlerin Angela Merkel auf Konfrontationskurs ging und damit jede Menge Ärger beim Koalitionspartner SPD verursacht hat. Auch wirkt sein Angebot zum Höhepunkt des Streits als Parteichef sowie als Innenminister zurückzutreten - und dann wieder doch nicht - weiter nach.

So stellt die SPD Seehofer als Innenminister am Freitag infrage. Und das einen Tag, nachdem sich die Regierungsparteien im Asylstreit einigen konnten. "Das Theater, das Seehofer und Söder (Bayerns Ministerpräsident Anm.) in den vergangenen Wochen aufgeführt haben, ist unwürdig für Deutschland", sagte Lars Klingbeil. Seehofer müsse sich die Frage gefallen lassen, ob er noch die Kraft und die Autorität habe, erfolgreich internationale Abkommen zu verhandeln, so der SPD-Generalsekretär.

Seehofers Alleingang

Parteikollege Ralf Stegner bezweifelt gar, dass der vereinbarte Kompromiss von Union und SPD überhaupt umgesetzt wird. Er glaube nicht, dass es zu den nötigen Abkommen mit Italien und Österreich über die Rückführung der Flüchtlinge kommen werde. "Es funktioniert ja nicht, wenn die Gesinnungsfreunde selbst Nationalisten und Egoisten sind", so Stegner.

Und obwohl - oder vielleicht gerade weil - Seehofer durch die Debatte stark angekratzt ist, lässt er nicht locker. So droht der 69-Jährige am Freitag im "Spiegel" erneut mit einem nationalen Alleingang. Ohne Abkommen müsste man "darauf zurückgreifen" Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückzuweisen, so der Innenminister. Eine Provokation für die Koalitionspartner, hatte SPD-Chefin Andrea Nahles doch am Abend zuvor bekräftigt, dass es eben keine nationalen Alleingänge geben werde.

Verspielt Seehofer vollends das Vertrauen? Denn eben jener versicherte am Donnerstagnachmittag seinem Gastgeber in Wien, "Deutschland werde weder jetzt noch in der Zukunft Österreich für Flüchtlinge verantwortlich machen, für die es nicht zuständig ist". In der Vereinbarung von CDU, CSU und SPD vom selben Abend steht aber, dass in Fällen, in denen eine direkte Zurückweisung aus Deutschland nicht möglich sei, diese an der deutsch-österreichischen Grenze stattfinden werde. Auf Grundlage einer Vereinbarung mit Österreich - die es noch nicht gibt.

Kurz schließt die Retour-Route

Und wohl nie geben wird. So verwiesen Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache prompt auf die Zusicherungen Seehofers vom Vortag. Kurz wiederholte, dass es keine "Verträge zulasten unseres Landes" geben werde. Auch Strache sagte, es werde keine Rücknahme von Asylwerbern aus anderen EU-Staaten geben. Er forderte, dass Vereinbarungen mit anderen EU-Ländern getroffen werden müssten. Mit Italien und Griechenland.

Damit stehen nach wie vor jene Länder in der EU unter Druck, die seit der Dublin-III-Verordnung 2014 mit den ankommenden Menschen über das Mittelmeer und aus der Türkei überfordert sind. Diesen Druck werden die Innenminister Seehofer und Herbert Kickl am kommenden Donnerstag ihrem italienischen Kollegen Matteo Salvini erklären müssen, wenn sie sich zu den Themen "Terrorismus" und "Stärkung der internen Sicherheit" zusammensetzen. Am Tag zuvor werden sich Seehofer und Salvini zum ersten Mal bilateral in Innsbruck treffen, wo es vor allem um Migrationspolitik und EU-Außengrenzschutz gehen soll.

Es scheint, dass sich Seehofer mit Salvini und Kurz einig werden könnte. Dafür weniger mit Merkel, geschweige denn mit der SPD. Die Kanzlerin hat durch die Angriffe und Provokationen an Rückhalt in den eigenen Reihen gewonnen.

Seehofer hat als Innenminister an Vertrauen verloren - die Umfragewerte der CSU in Bayern haben jedoch zugelegt. Die Landtagswahlen finden hier am 14. Oktober statt. Seehofer will gewinnen - auch, wenn er in Berlin vielleicht verliert.