Wolfgang Sobotka testet die Belastungsgrenzen seines Obmanns und der Koalition.
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Wien. Die beiden, die die Innenpolitik in den letzten 48 Stunden in Atem hielten, waren die großen Abwesenden beim Ministerrat am Dienstag. Innenminister Wolfgang Sobotka und Außenminister waren trotzdem quasi omnipräsent an diesem Tag. Immerhin soll Reinhold Mitterlehner, Vizekanzler und ÖVP-Obmann in Personalunion, entnervt vom Frontalangriff Sobotkas auf den Bundeskanzler am Montagabend gedroht haben, den Krempel hinzuschmeißen und zurückzutreten. Also quasi einen "Spindelegger" hinzulegen, nach dem Vorbild des Vorgängers, der bekanntlich im August 2014 frustriert von den ständigen internen Querelen genau das gemacht hatte.
Woraufhin wiederum Sebastian Kurz zum Telefon gegriffen haben und den schwarzen Parteigranden mitgeteilt haben soll, dass er derzeit sicher nicht zur Verfügung stehe, den irrlichternden Haufen namens ÖVP zu übernehmen. So sinngemäß jedenfalls.
Die SPÖ nutzte die Einladung dankend, sich selbst als arbeitswilligen und stabilen Teil der Koalition darzustellen, nachdem die Rollen ja auch schon umgekehrt verteilt waren. Und natürlich dazu, Sebastian Kurz als dunkle Macht, die im Hintergrund der ÖVP die Fäden gegen Mitterlehner ziehe, darzustellen.
Denn zwei Konstanten gibt es immerhin in dieser Regierung: Ein wesentlicher Teil der ÖVP setzt ihr Möglichstes daran, Kanzler Christian Kern schlecht aussehen zu lassen, und das Lieblingsfeindbild der SPÖ heißt Sebastian Kurz, der schwarze Umfragekaiser. Nach so vielen Jahren des ungeliebten Beisammenseins weiß man eben, wo es dem anderen wirklich weh tut.
Minister-Entlassung leichter gefordert als getan
Warum, wenn es nicht offensichtlich nicht weiter geht, nicht die ärgsten Störenfriede aus der Regierung entlassen? Einmal abgesehen davon, dass dies genau nichts am Grundkonflikt dieser Koalition ändern würde, täuschen die schlichten Vorgaben der Verfassung, wenn es um die Entlassung eines Ministers geht. Theoretisch müsste nur der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten einen warum auch immer als Belastung empfundenen Ressortchef zur Entlassung vorschlagen. Und - voilà - die Sache wäre erledigt.
Aber so einfach ist es natürlich nicht, schon gar nicht in Österreich. Die Sachlage lässt sich wunderbar am konkreten Beispiel von Sobotka durchdeklinieren, der keineswegs nur in der SPÖ den Ruf eines talentierten Unruhestifters genießt: Es beginnt damit, dass sich in keiner Koalition, jedenfalls in keiner österreichischen, ein Partner die Minister des anderen aussuchen kann. So gesehen könnte Kanzler Kern natürlich trotzdem Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Minister zur Entlassung vorschlagen. Nur käme das ohne Segen von ÖVP-Obmann Mitterlehner der Aufkündigung der Koalition gleich. Und dann hat bei dieser Frage auch noch die niederöstereichische VP ein Wörtchen mitzureden, auf deren Ticket Sobotka in der Regierung sitzt.
Somit müsste man fragen: Wer will denn eigentlich überhaupt schnelle Neuwahlen?
Nimmt man Kern, Mitterlehner, Kurz mit deren Absage beim Wort, ist da zunächst die Opposition. Die FPÖ will ja eigentlich immer wählen, so lange andere die Regierung stellen; bei Grünen und Neos ist die Lust auf vorzeitige Neuwahlen deutlich überschaubarer. Aber eigentlich ist es egal, was die Opposition will, schließlich stellt sie nur die Minderheit.
Wer würde von Neuwahlen profitieren?
Um ein Vielfaches relevanter ist da schon, was sich die Bundesländer so denken. Die Wiener SPÖ ist aktuell gerade froh, dass Gemeinderatswahlen erst 2020 anstehen. Als nächste, nämlich bereits 2018, kommen Niederösterreich, Salzburg, Tirol und Kärnten an die Reihe - also drei schwarze und ein rotes Bundesland. Vor allem Johanna Mikl-Leitner, die gerade erst das Erbe Erwin Prölls antrat, hat bereits wissen lassen, dass sie einen zeitgleichen Wahlkampf mit dem Bund sehr, sehr gerne vermeiden möchte. Niederösterreich wählt im März, der Bund regulär im Herbst nächsten Jahres, aber wegen der EU-Präsidentschaft Österreichs im zweiten Halbjahr wird auch über eine Vorverlegung ins Frühjahr spekuliert. Für Mikl-Leitners Premiere ein schlimmst anzunehmender Unglücksfall. Dann schon lieber Nationalratswahlen im kommenden Herbst.
Ist der Niederösterreicher Sobotka also Mikl-Leitners Mittel zum Zweck schneller Neuwahlen? Möglich, dass man in Niederösterreich so denkt, aber so simpel tickt die Politik dann doch auch wieder nicht.
Bis zum Nachmittag verzogen sich die dunklen Wolken aber sowieso über dem politischen Quartier in der Wiener City. Mitterlehner und Sobotka vollzogen per Aussendung den Schulterschluss, und sogar einen Hauch von Selbstkritik kam beim Innenminister dabei zum Vorschein: "Ich will meine Wortwahl künftig verbessern, so wie ich das auch von der SPÖ erwarte. Das Wichtigste aber ist, dass in der Sache die Blockaden aufhören."
Ein Hauch, immerhin. Fortsetzung folgt verlässlich.