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"Was den Sonntag erst zu einem Sonntag macht, ist der Guglhupf", behauptet auf Österreich 1 das sonntägliche Radio-Kabarett mit Lore Krainer und "Herrn" Prikopa. Obwohl das stimmt, stimmt
es doch nicht ganz: Der Sonntag morgen wird nämlich schon vorher, 15 Minuten nach 8, zum Feiertag. Allein durch die zeitlose, beinah entrückte Sendung "Du holde Kunst", die nach Mitternacht
wiederholt wird, hat der Sonntag eine Tradition, die viel, viel weiter zurückreicht als das Gedenken der Verfasserin. Die "Holde Kunst" war früher etwas für die Eltern- und Großelterngeneration.
Heutzutage, wo der Jugendkult selbst vor Menschen in ihren Achtzigern nicht halt macht, ist die "Holde Kunst" dennoch nicht ohne Fangemeinde: Die Mehrheit der Jugend zwischen 0 und 100 mag sich, bis
sie schwarz wird, mit Ö 3 oder FM4 vergnügen; die Randgruppe der erwachsenen und naturnah älter werdenden Radiohörer wendet sich statt dessen mit zunehmender Regelmäßigkeit Klaus Gmeiners exquisiten
Sendungstiteln zu · letzten Sonntag lautete die Überschrift über Gedichten von Agnes Miegel, Günter Eich, Gottfried Keller, Christian Morgenstern, Rudolf Hagelstande et al. "Der erste Schnee weht
übers Land".
Der ramponierte Mensch am sonntäglichen Frühstückstisch fühlt sich mit jedem Gedicht, egal, ob es gefällt, nicht gefällt, verwundert oder verzaubert, und mit jedem Musikstück besser; zuhörend
entkommt er seiner tierischen Verschlafenheit und wird sich seiner, nach und nach, glücklich als kulturelles Wesen bewußt.