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Ganz Westafrika fürchtet die Islamisten

Von Klaus Huhold

Politik

Mali drohte Ort zu werden, von dem aus gesamte Region in Abgrund gestürzt wird.


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Bamako/Wien. Die Flagge der alten Kolonialmacht Frankreich taucht in Mali plötzlich wieder auf. In der Hauptstadt Bamako verkaufen zahlreiche Straßenhändler die Tricolore, zahlreiche Autofahrer schmückten schon ihre Fahrzeuge damit. Und ein Kommentator im Internet verfasste Lobeshymnen auf den französischen Präsidenten: "Papa Hollande, tausend Dank. Das ganze malische Volk würdigt Ihren Mut und Ihre Durchsetzungskraft."

Fast schon euphorisch wird die Intervention Frankreichs begrüßt - nachdem die militanten Islamisten immer weiter vorgerückt waren, herrschte Angst, dass die Gotteskrieger bis in die Hauptstadt vordringen könnten.

Europa und Afrika haben dieselben Sorgen

Und nicht nur auf den Straßen Bamakos traf das Vorgehen Frankreichs auf breite Zustimmung: Sowohl europäische als auch afrikanische Staatschefs betonten, dass der Schritt notwendig gewesen sei. Denn die Sicherheitsbedenken sind auf beiden Kontinenten dieselben: Nordmali drohte zu einem sicheren Hafen für radikale Islamisten zu werden, von wo aus diese Anschläge in der ganzen Welt planen können. Zudem könnten die Islamisten mit einer Operationsbasis in Nordmali auch andere Länder in dieser ohnehin unruhigen Region noch stärker destabilisieren.

Sei es Algerien, wo in den 1990er Jahren ein Bürgerkrieg zwischen dem Militär und Islamisten herrschte und wo Gotteskrieger noch heute im Untergrund operieren. Sei es Nigeria, wo die Salafisten-Sekte Boko Haram immer wieder christliche Kirchen in die Luft sprengt und staatliche Einrichtungen angreift. Oder seien es Niger und Mauretanien, zwei bitterarme Staaten, in denen es in der Vergangenheit ständig zu Aufständen und Putschen kam.

Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas will nun etwa 3300 Soldaten nach Mali entsenden. "Mit ihrem Einsatz wollen die umliegenden afrikanischen Staaten den Gotteskriegern eine Botschaft senden, dass die Islamisten, wo immer sie sich ausbreiten wollen, mit einer heftigen Antwort zu rechnen haben", sagt der Polit-Analyst David Zounmenou vom in Südafrika beheimateten "Institut für Sicherheitsstudien". "Die Islamisten selbst rechneten nicht mehr damit, dass noch jemand intervenieren wird und sahen sich schon immer mehr im Vorteil", berichtet der Mali-Experte gegenüber der "Wiener Zeitung".

Zudem stehen die westafrikanischen Staaten vor der Aufgabe, ihre - sehr durchlässigen - Grenzen stärker zu bewachen. Denn die Gotteskrieger in Mali sind zumeist keine Malier. Ihre Soldaten kommen aus aller Herren Länder - aus dem Nahen Osten und auch gerade aus den Nachbarländern Malis wie etwa Algerien. Nun könnten die Kämpfer wieder in ihre Heimatländer zurückkehren und dort für Unruhe sorgen.

Mali-Krise ist ein Ausläufer des Libyen-Krieges

Auch einer der Hauptgründe für Malis Krise ist gar nicht in dem Land selbst zu suchen. Vielmehr sind die Kämpfe in Mali ein Ausläufer des Krieges in Libyen gegen Muammar Gaddafi. Denn der Sturz des libyschen Revolutionsführers war von Chaos begleitet - und als Folge überfluteten zahlreiche Waffen Westafrika und damit auch Mali. Zudem kehrten zahlreiche Söldner, die in Libyen Gaddafi gedient hatten, in ihre Heimat zurück - es handelte sich um gut ausgebildete Soldaten, die plötzlich beschäftigungslos waren. Mit dieser Gemengelage sind auch andere Staaten wie der Niger oder Mauretanien konfrontiert, ein offener Konflikt brach aber bisher nur in Mali aus.

Denn in Mali kam auch noch eine zerstrittene Regierung hinzu, im März stürzten Putschisten Präsident Amadou Toumani Touré. Im Norden nutzen die hochgerüsteten Islamisten und Rebellen der Minderheit der Tuareg - besonders Tuareg hatte Gaddafi gerne als Söldner angeworben - die Schwäche der Regierung und überrannten zahlreiche Städte. Zunächst waren Islamisten und Tuareg verbündet, doch bis auf eine kleine Gruppe wandten sich die Tuareg bald von den Islamisten ab: Denn die Tuareg interessierte nicht die Einführung der Scharia, sondern ein eigener Staat.

Die Gräben sind mittlerweile so tief, dass die Tuareg-Rebellen der "Nationalen Bewegung für die Befreiung von Azawad" schon Frankreich ihre Hilfe im Kampf gegen die Gotteskrieger angeboten haben.

Die Islamisten hatten sich in den vergangenen Monaten als militärisch stärker als die Tuareg-Kämpfer erwiesen und diese aus zahlreichen Städten wieder vertrieben. Wo sie herrschten, führten die Radikalen ihre Form des Gottesstaates ein - UNO-Beauftragter Ivan Simonovic sprach von "schrecklichen Menschenrechtsverletzungen", von Hinrichtungen, Amputationen und Steinigungen. Und in Timbuktu, einem ehemaligen Zentrum islamischer Gelehrsamkeit, zerstörten die Fanatiker jahrhundertealte Mausoleen, weil sei diese als unislamisch ansahen.

Wegen ihrer Schreckensherrschaft hätten die radikalen Islamisten bei der Bevölkerung Malis überhaupt keinen Rückhalt, berichtet Zounmenou. "Zudem hat der Islam in Mali und generell in Westafrika eine ganz andere, viele moderate Tradition."

Konflikt mit den Tuareg muss gelöst werden

Auf lange Sicht wird es aber nicht ausreichen, die Islamisten mit Waffengewalt zu vertreiben. "Militärisches und politisches Engagement müssen Hand in Hand gehen", sagt Zounmenou.

So braucht Mali endlich wieder eine stabile Regierung - erst im Dezember waren erneut Rivalitäten ausgebrochen, Militärs hatten den damaligen Regierungschef Cheick Modibo Diarra zum Rücktritt gezwungen. Und auch der Konflikt mit den Tuareg, die sich von der Regierung diskriminiert sehen, sollte laut Beobachtern über friedliche Verhandlungen gelöst werden. Darauf werden auch die nun in Mali engagierten Staaten drängen, vermutet Zounmenou. Und genau der Druck der internationalen Gemeinschaft könnte dafür sorgen, dass sich auch bei diesen Problemen etwas bewegt.