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"Garantien kann es keine geben"

Von Ina Weber

Politik

Verfassungsgerichtshof-Urteil sagt nicht 10 Prozent. | Haiders geplante Volksbefragung als "Orientierungshilfe" durchaus möglich. | "Wiener Zeitung":Ihr Kompromiss sieht zweisprachige topographische Aufschriften in 158 Ortschaften in Kärnten vor. Wird damit dem Verfassungsgerichtshof-Urteil, das eine Aufstellung ab 10 Prozent Slowenenanteil empfiehlt, Genüge getan?


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Stefan Karner: Der zur Begutachtung ausgesandte Entwurf basiert auf den gesetzlichen Grundlagen und implementiert das Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis. Die geltende Rechtslage ergibt sich aus dem Volksgruppengesetz 1976, der Verordnung 1977 und den VfGH-Erkenntnissen 2001 und 2005. Klar ist, dass es hinsichtlich der Anbringung topographischer Aufschriften eine gewisse Bandbreite des Slowenenanteils in Ortschaften geben muss, wobei dies tendenziell in die Richtung von 10 Prozent gehen soll. Die Vorgespräche zu diesem Entwurf, die Konsenskonferenzen mit allen Beteiligten, waren die Auslotung der Quadratur des Möglichen.

Aber der VfGH sagt in seinem Urteil 10 Prozent.

Das sagt er nicht im Spruch des Erkenntnisses. Die 10 Prozent werden nur in der Begründung genannt. Dabei bleiben aber die anderen Kriterien des Volksgruppengesetzes 1976 weiter aufrecht. Aber wir nähern uns mit dem Verordnungsentwurf ohnehin der 10-Prozent-Marke an. Wir, das waren im Vorfeld der Politik: der Kärntner Heimatdienst, die Gemeinschaft der Kärntner Slowenen und Sloweninnen und der Zentralverband slowenischer Organisationen - schließlich auf der Rat der Kärntner Slowenen und anfänglich der Kärntner Abwehrkämpferbund.

Warum sind Ortschaften dabei, die weniger als 10 Prozent Slowenenanteil haben?

Die Auswahl der 158 Ortschaften beruht auf den Erfordernissen des Volksgruppengesetzes 1976, der Verordnungen 1977, sowie den Erkenntnissen des VfGH und den Volkszählungsergebnissen. Nach dem Gesetz ist bei der Anbringung topographischer Aufschriften unter anderem auf die "zahlenmäßige Größe der Volksgruppe, die Verbreitung ihrer Angehörigen im Bundesgebiet, ihr größenordnungsmäßiges Verhältnis zu anderen österreichischen Staatsbürgern in einem bestimmten Gebiet sowie auf ihre besonderen Bedürfnisse und Interessen zur Erhaltung und Sicherung ihres Bestandes Bedacht zu nehmen. Hierbei sind die Ergebnisse amtlicher statistischer Erhebungen mitzuberücksichtigen". Das heißt, es geht dabei um örtliche Anliegen der Volksgruppe und um das Verhältnis zur Mehrheitsbevölkerung. Volkszählungen waren mitzuberücksichtigen.

Kärntens Landeshauptmann Haider meint, die Ortstafeln stünden dann "auf der grünen Wiesn".

Er weiß es selbst, dass bei den 158 Ortschaften auch ein paar solche dabei sind, die heute keinen dörflichen Charakter mehr aufweisen, aber der Großteil davon wurde bereits 1977 verordnet und wurde bis zum Vorjahr von keiner Seite in Frage gestellt. Auch von Haider nicht. Ich frage, soll man der Minderheit bereits Zugestandenes wieder wegnehmen, auch wenn es nur auf dem Papier steht? Mir ist auch nicht bekannt, dass Haider plötzlich mehr "Ortstafeln" will. Unter 10 Prozent gegangen sind wir etwa beim Anlassfall St. Kanzian, wo der Minderheitenanteil derzeit bei 9,7 Prozent liegt.

Die 77er Verordnung wurde vom VfGH aufgehoben. Warum wird sie berücksichtigt?

Es war auch der Wunsch der Volksgruppe, diese Ortschaften in den Kompromiss hineinzunehmen. Alle Kärntner Heimatverbände, auch der Abwehrkämpferbund, haben dem schriftlich zugestimmt. Übrigens würde die 77er Verordnung erst mit der neuen Verordnung aufgehoben werden.

Noch einmal: Der VfGH hat die Volksabstimmungen der letzten Jahrzehnte zusammengefasst, 10 Prozent empfohlen. Das wären dann 398 Ortstafeln. Was garantiert, dass, wenn man sich für diese Lösung entscheidet, diese nicht wieder vom VfGH gekippt wird?

Garantien kann es dabei keine geben. Aber wir sind zuversichtlich, dass der VfGH eine von einem derart breiten Konsens getragene Lösung als verfassungskonform akzeptieren wird. Außerdem glaube ich, ist die von uns eingebaute Öffnungsklausel ein weiteres wichtiges Argument. Denn Volksgruppenfragen sind nicht statisch. Es werden immer wieder durch Veränderungen in der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung Nachjustierungen notwendig werden. Das ist jedem klar. Deshalb haben wir ab 2010 auch das Antragsrecht einer bestimmten Anzahl von Wahlberechtigten in einer Gemeinde - die Öffnungsklausel - in unserem Paket verankert. Diese Klausel könnte natürlich dazu führen, dass es danach mehr als 158 zweisprachige Ortstafeln geben könnte.

Die Öffnungsklausel ist noch nicht im Entwurf der Verordnung enthalten. Wird das noch geändert?

Sie ist in den Erläuterungen angesprochen. Der Entwurf ist jetzt in Begutachtung. Wir werden sehen, welche Ergänzungen vorgeschlagen werden.

Verfassungsrechtler halten den Entwurf für bedenklich. Es wurde etwa kritisiert, dass nach der neuen Verordnung nur dort zweisprachige Ortstafeln anzubringen sind, die im Sinn der Straßenverkehrsordnung (StVO) sind.

Das ist keine Folge der vorgeschlagenen Verordnung, sondern ergibt sich aus der geltenden StVO. Auch Kritiker haben eingestanden, dass der Hinweis auf die StVO rechtlich o.k. geht. Andere Verfassungsrechtler halten den Entwurf für verfassungskonform. Schauen Sie, bei allem Respekt vor den Juristen, letztlich kann ein Durchbruch nur in einem gemeinsamen Wollen erzielt werden.

Der Entwurf spricht von topographischen Bezeichnungen, nicht von Ortstafeln.Ja. Ortstafeln nach der StVO - das sind die blau umrandeten Orts-Anfang und Orts-Ende-Schilder - sind ja nur ein Teil der topographischen Bezeichnungen, wenn auch ein sehr wichtiger. Viele Ortschaften haben solche wegen ihrer Größe und Streusiedlung gar nicht. Dort sind meist die weißen Gemeindetafeln aufgestellt.

Haider hat signalisiert, dass er bereit wäre, das Karner-Papier in seine von ihm geplante Volksbefragung hineinzunehmen. Für Sie ein möglicher Weg?

Wenn Haider eine Volksbefragung, die ja keine Abstimmung, sondern eine Meinungserhebung ist, durchführen will, so ist das seine Sache bzw. die des Landes Kärnten, um sich für seine Stellungnahme ein breiteres Bild von der Stimmung im Lande zu machen. Auf den rechtlichen Fortgang der Behandlung des Entwurfes hat dies aus meiner Sicht keinen Einfluss.

Was passiert, wenn Haider am Ende der Begutachtungsfrist, am 7. Juni, Nein sagt?

Er wird eine Stellungnahme abzugeben haben. Dann geht der Entwurf den normalen Rechtsweg.

Woran liegt es, dass das Ortstafel-Problem seit Jahrzehnten nicht gelöst wird?

Die Frage der topographischen Bezeichnung ist angesichts der leidvollen Geschichte Kärntens im 20. Jahrhundert, eine besonders sensible. Für die einen ist es ein Signal für Besitzstand, für ein Territorium, für andere ist gerade dies eine Quelle von emotionalen Ängsten und für eine dritte Gruppe schon ein Zeichen dafür, dass es sich um ein ethnisch gemischt besiedeltes Gebiet handelt. Jetzt muss man die Brücke schaffen. Wir wollen Europa gegenüber zeigen, wie man einen jahrzehntealten Konflikt mit einem Kompromiss lösen kann. Die meisten Beteiligten haben jahrzehntealte Standpunkte aufgegegeben. Der Kompromiss ist ein politischer. Bedenken Sie, wie viele Beschwerden es gibt - vom Ortstafelverrückungen bis zum Schnellfahren. Wenn wir das alles ausjudizieren wollen, dann wird noch hundert Jahre prozessiert. Der ausgehandelte Kompromiss, der sich im Verordnungs-Entwurf wiederfindet, ist die derzeit einzig mögliche Form, den jahrzehntealten Gordischen Knoten zu zerschlagen.

Zur Person

Stefan Karner , Historiker, geboren 1952 in Kärnten, ist Vorstand des Instituts für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte der Uni Graz und Leiter des Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung. 2005 leitete er die Staatsvertragsausstellung auf der Schalla-burg. Über Ersuchen von Kanzler Schüssel brachte er in zahlreichen Gesprächen den Kompromiss zustande, der die Basis des nunmehr zur Begutachtung ausgesandten Entwurfs zur Topographie-Verordnung ist.