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"Garteln ums Eck": Wenn eine gute Idee zum Selbstzweck verkommt ...

Von Bürgerjournalist Walter Kühner

Projekt will mehr Grün in die Stadt bringen|"Elastische" Auslegung konterkariert ursprüngliche Intention. Absurd: Grün soll durch Grün ersetzt werden


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Die Initiative "Garteln ums Eck" der Stadt Wien will dazu beitragen, die Stadt zu verschönern. Interessierte Bürger können um Genehmigung ansuchen, einzelne von Asphalt umgebene Baumscheiben oder kleine brachliegende Flächen zu begrünen. Eine nette Sache: sowohl für jene Bürger, die sich gärtnerisch betätigen wollen, als auch für das Erscheinungsbild der Stadt, wenn das vorherrschende städtische Grau durch Grün aufgelockert wird.

Wenn das Garteln aber blindlings auch dort, wo bereits ausreichend Grün vorhanden ist (wie z.B. im Währinger Cottageviertel), ermöglicht wird, kommt es unweigerlich zu Interessenskonflikten. Warum sollten sich alle mit einem bestehenden Grünstreifen zufriedenen Bewohner freuen, wenn der Bereich vor ihrem Haus ohne ersichtlichen Grund nach Gutdünken eines Einzelnen umgestaltet wird. Für die betroffenen Bewohner ist keine Mitbestimmung oder Einspruchsmöglichkeit vorgesehen. Das ist das Gegenteil von demokratischer Bürgermitbestimmung. Hier verkehrt sich eine bürgerfreundliche Idee in einen klassischen Akt des Obrigkeitsstaats, der willkürlich einigen wenigen etwas gestattet - unter Ausschluss der übrigen Betroffenen.

Obwohl das Projekt eindeutig auf "Begrünung von Baumscheiben und kleinen Zwickelflächen im öffentlichen Raum" abzielt, wird das Garteln von der Gebietsbetreuung uneingeschränkt überall befürwortet. Von Edith Schindler-Seiß von der Gebietsbetreuung (GB 9/17/18) wird betont, dass diese gärtnerischen Aktivitäten "das Zusammenleben fördern". Wenn allerdings nur des Gartelns wegen ohne Rücksicht auf bestehendes Grün drauflos gegartelt wird, ist das für das Zusammenleben keineswegs förderlich.

Ein Cottagegebiet ist kein Ersatzgebiet für einen Schrebergartenverein. Dafür ist es zu wertvoll für eine Stadt, was die Zuständigen von der Gebietsbetreuung offenbar nicht begreifen. Die Initiative "Garteln ums Eck" ist die legalisierte Form des von den Wiener Grünen unterstützten Guerrilla Gardening. Wie es aussieht, wird das Garteln jetzt aus den Amtsstuben heraus guerrillamäßig betrieben.

Dass Blumen und Sträucher auf einem Randstreifen das Aussteigen aus korrekt geparkten Pkw behindern oder gar verunmöglichen, wird einfach ignoriert. Es gibt bereits üppig wuchernde Anschauungsbeispiele, wo reiche Villenbesitzer sich durch hohe Sträucher auf dem öffentlichen Randstreifen vor ihrem Haus abgeschottet haben, was auch zu einer Verengung der Gehwege führt, wenn die Sträucher wieder einmal nicht zurückgeschnitten sind. Obwohl diese Art des privilegierten Guerrilla Gardening seit Jahren den Unmut vieler Anwohner erregt (von wegen "Förderung des Zusammenlebens"), greifen die Stadtverantwortlichen trotz Beschwerden nicht ein.

Die Genehmigung für "Garteln ums Eck" erfolgt in Abstimmung zwischen MA 42 (Stadtgartenamt) und Bezirksvorstehung. Ob eine regelmäßige Pflege erfolge, könne jedenfalls nicht überprüft werden, heißt es seitens der MA 42. Wenn ehemals verödete Flächen bei mangelnder Pflege veröden, wird der triste Urzustand wiederhergestellt. Wenn aber derzeit begrünte Flächen mangels Pflege veröden, tritt eine echte Verschlechterung ein!

Angesichts der übereifrigen Befürwortung durch die Gebietsbetreuung liegt es letztlich bei den Bezirksvorstehern, verantwortungsvoll darauf zu achten, dass das Garteln im öffentlichen Raum darauf beschränkt bleibt, wofür es konzipiert wurde, um zu verhindern, dass es zum Selbstzweck wird.

Projektbeschreibung "Garteln ums Eck"

Über den Autor:
Der Autor wohnt im Währinger Cottageviertel. Als im Jahr 2003 begonnen wurde, die Rasenstreifen in der Colloredogasse zu asphaltieren, wurde von ihm eine Bürgerinitiative gestartet. Daraufhin leitete der Bezirksvorsteher des 18. Bezirks, Karl Homole, eine Bürgerbefragung ein, die mehrheitlich gegen die Asphaltierung und für den Erhalt der Grünstreifen votierte. So konnten zumindest die noch nicht asphaltierten Randstreifen als Grünstreifen erhalten bleiben.