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Gärtner, bitte Unkraut jäten

Von Roland Knauer

Wissen
Ein chemischer Hilferuf holt den Fisch Blaupunkt-Korallengrundel gegen die giftigen, grünen Haaralgen herbei.
© Danielle Dixson/Science

Verletzte Korallen rufen Grundelfische gegen Algenplagen zu Hilfe.


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Berlin. Wenn die Haaralge Chlorodesmis fastigata die Steinkoralle Acropora nasuta zu überwuchern droht, ruft diese einfach ihre Gärtner zu Hilfe. Keine halbe Stunde später jäten die alarmierten Unterstützer eifrig das giftig-grüne Unkraut. Das Ganze klingt wie ein modernes Märchen, ist aber in den tropischen Gewässern des Pazifiks und des Indischen Ozeans anscheinend Alltag. Danielle Dixson und Mark Hay vom Georgia Institute of Technology im US-amerikanischen Atlanta haben die Gärtner in den Korallenriffen vor den Fidschi-Inseln beobachtet. Im Magazin "Science" (Band 338) entlarven sie auch die Leibwächter der Korallen: Es handelt sich um nur 3,5 Zentimeter lange Fische der Art Gobidon histrio, die Aquariumfans als Blaupunkt-Korallengrundel kennen.

Der Korallenriff-Spezialist Reinhold Leinfelder von der Freien Universität Berlin und der Ludwig-Maximilians-Universität in München vergleicht sein Forschungsgebiet gern mit einer Großstadt. "In diesem komplizierten Gemeinwesen haben die US-Forscher jetzt auch noch eine spezielle Form der Kommunikation gefunden", erklärt der Paläontologe und Geobiologe das wichtigste Resultat der Experimente im tropischen Pazifik. Dort haben die Forscher unter Wasser auf gesunde Korallenriffe entweder die giftige Haaralge Chlorodesmis fastigata oder eine Imitation aus Nylonfäden aufgebracht. Die Alge schädigt das Riff rasch und überwuchert es schließlich, der Kunststoff richtet dagegen keine nennenswerten Zerstörungen an.

Während die Blaupunkt-Korallengrundeln die Nylonfäden weitgehend ignorierten, eilten die Fische rasch jenen Korallen zu Hilfe, die mit echten Haaralgen kämpften. Schon nach 15 Minuten waren 70 Prozent der Grundeln und nach einer halben Stunde mit 95 Prozent fast alle Gärtner der Umgebung bei den betroffenen Korallen angelangt und machten sich über das gefährliche Grünzeug her. Offensichtlich nehmen die Fische dabei das Gift der Algen auf und werden so selbst giftiger. Für ein kleines Tier wie die Korallengrundel ist das eine praktische Selbstverteidigung gegen größere Fische, die Appetit auf die Kleinen haben.

Ein Ökosystem wehrt sich

Mit einem weiteren Experiment entdeckten die US-Forscher, wie die Kommunikation zwischen Korallen und Fischen genau funktioniert. Sie hatten einfach Wasser aus der unmittelbaren Umgebung von unversehrten Korallen in 60-Milliliter-Spritzen gezogen und den Inhalt später langsam in ein anderes Riff gespritzt. Die dort schwimmenden Blaupunkt-Korallengrundeln reagierten darauf praktisch gar nicht. Stammte das Wasser in der Spritze dagegen aus der Umgebung einer Koralle, die gerade gegen die Haaralgen kämpfte, schwammen die Fische rasch auf die Spritze zu - irgendein bisher nicht identifizierter Geruchsstoff musste die Grundeln alarmiert haben. Dieses chemische Signal aber stammt aus verletzten Korallen, zeigte ein weiteres Experiment: Auch wenn die Forscher erst die giftige Haaralge von der Koralle entfernten und 20 Minuten später ihre Wasserprobe nahmen, reagierten die Fische und schwammen Richtung Spritze. Damit aber scheidet die Alge als Sender des Signals aus. "Diese Kommunikation zwischen Steinkorallen und Fischen zeigt sehr schön, wie sich ein Ökosystem wie das Korallenriff an mögliche Gefahren anpasst und sie abwehrt", erklärt Leinfelder.