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Garzon gefangen zwischen den Erben Francos und heutigen Korruptionisten

Von Rainer Mayerhofer

Analysen

Der spanische Richter Baltasar Garzon war und ist für viele ein unangenehmer Mann. Der verstorbene chilenische Diktator Augusto Pinochet, den er 1998 während eines Aufenthalts in London festnehmen ließ, wusste das. Diverse andere frühere südamerikanische Politiker mit befleckter Weste fürchten ihn ebenso wie die Terroristen von der baskischen ETA oder die Korruptionisten in mehreren spanischen Regionen, gegen die er Ermittlungen aufnahm. Ausgerechnet Garzons Versuch, die Franco-Zeit juristisch zu bereinigen, soll ihm jetzt zum Fallstrick gemacht werden.


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Mit seinen Ermittlungen zu Verbrechen in der Franco-Ära habe er sich wissentlich über das Amnestiegesetz aus dem Jahr 1977 hinweggesetzt, wird dem wohl prominentesten spanischen Richter von Francos Erben vorgeworfen. Mehrere rechtsgerichtete Organisationen und die Franco-Partei Falange haben Garzon deswegen beim Höchstgericht geklagt. Das Oberste Richtergremium des Landes soll am 22. April darüber entscheiden, ob Garzon wegen der gegen ihn laufenden Verfahren vom Dienst suspendiert wird. Im Falle einer Verurteilung drohen dem 54-Jährigen bis zu zwanzig Jahre Berufsverbot, was praktisch ein Ende seiner richterlichen Karriere bedeuten würde.

Sowohl in Spanien selbst als auch international ist wegen des Verfahrens gegen Garzon ein unüberhörbarer Proteststurm losgebrochen. In einer Veranstaltung in der medizinischen Fakultät der Universität Madrid, an der mehr als tausend Gewerkschafter, Juristen, Politiker, Hochschulprofessoren und Nachkommen von Franco-Opfern teilnahmen, wurde das Verfahren gegen Garzon als "historische Schande" gebrandmarkt. Hätten die Einschränkung zur juristischen Aufarbeitung der Franco-Zeit nach 1945 auch in Deutschland gegolten, hätten die Nürnberger Prozesse nie stattfinden können, konstatierten mehrere Redner.

"Dass es der Falange gelungen ist, Garzon auf die Anklagebank zu bringen, ist so, als ob Franco noch einmal gewonnen hätte", sagte der Filmregisseur Pedro Almodovar in einer großen Kundgebung spanischer Künstler und Intellektueller. Und nicht wenige Teilnehmer der Solidaritätskundgebungen für Garzon vertreten offen die Auffassung, dass Garzon in eine Falle zwischen den Erben Francos und den Korruptionisten der "Gürtel"-Affäre geraten ist, in die führende Politiker der Volkspartei in den Regionen Madrid, Valencia, Galizien und Kastilien-Leon verwickelt sind.

Die Führung der Volkspartei fühlt sich schon lange als Opfer Garzons und sieht ihren politischen Auftrieb durch dessen Ermittlungen gefährdet. Entsprechend allergisch reagierten Parteichef Mariano Rajoy und die ihm sonst gar nicht so wohlgesonnene Präsidentin der Region Madrid, Esperanza Aguirre, unisono auf die breite Unterstützung Garzons.

Siehe auch:Francos Erben verklagen Starrichter