Die Ukraine würde bei dem Pakt einen deutlich niedrigeren Gaspreis zahlen.
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Kiew/Wien. Die Anzeichen verdichten sich, dass sich Russland und die Ukraine kurz vor einer Einigung beim umstrittenen Thema Erdgas befinden. Wie ein politischer Beobachter aus Kiew der "Wiener Zeitung" mitteilte, gibt es konkrete Hinweise darauf, dass die Ukraine die Kontrolle über ihr Gaspipelinesystem verlieren wird.
Ein russisch-ukrainisches Konsortium soll demnach nach dem Schlüssel 50:50 künftig die Kontrolle über den ukrainischen Erdgashandel übernehmen, wobei die russische Gazprom im Top-Management des Konsortiums das Übergewicht erhalten soll. Im Gegenzug könnte sich Gazprom verpflichten, das veraltete ukrainische Pipelinenetz zu modernisieren. Die Gewinne aus dem Gastransithandel will man dem Vernehmen nach künftig teilen.
Das entscheidende Atout der angeblich bevorstehenden Einigung ist aus ukrainischer Sicht aber die Senkung des Preises für russisches Gas. Auf rund 280 US-Dollar pro tausend Kubikmeter Gas soll man sich laut ukrainischen Quellen geeinigt haben - das wäre eine drastische Senkung: Im vierten Quartal 2012 zahlte die Ukraine für die gleiche Menge Gas etwas mehr als 430 Dollar. Der immens hohe Gaspreis machte es auch nötig, dass der ukrainische Staat den nationalen Gasmarkt hoch subventionieren musste, um die Preise für die Verbraucher niedrig zu halten. Diese Subventionen verringerten den finanziellen Spielraum des notorisch klammen Staates beträchtlich. Mit dem niedrigeren Gaspreis würde Präsident Wiktor Janukowitsch deutlich mehr politische Möglichkeiten in die Hand bekommen - auch mit Blick auf seine Wiederwahl 2015.
Noch gilt es allerdings für Janukowitsch, Hindernisse aus dem Weg zu räumen: Aus der Zeit seines strikt prowestlichen Vorgängers Wiktor Juschtschenko stammt ein Gesetz, das die Verpachtung des ukrainischen Pipelinesystems verbietet. Dieses Gesetz muss die Ukraine ändern, bevor der Vertrag unterzeichnet wird. Janukowitsch verfügt im Parlament zwar über die nötige Mehrheit, es ist aber davon auszugehen, dass die prowestliche Opposition gegen den Pakt mit Russland Sturm laufen wird. Außerdem soll Gazprom darauf bestehen, dass die Ukraine die Europäische Energiegemeinschaft, in der sie Mitglied ist, verlässt.
Für die Ukraine geht es damit letztlich einmal mehr um eine Richtungsentscheidung zwischen der EU und Russland. Moskau versucht, Kiew in seine Zollunion mit Weißrussland und Kasachstan zu locken. Die ukrainische Führung will zwar manche Regelungen der Handelsgemeinschaft übernehmen, lehnt eine Vollmitgliedschaft aber entschieden ab - man fürchtet eine erneute Unterordnung unter den "großen Bruder". Russlands Präsident Wladimir Putin ist nun dabei, das Statut der Zollunion zu ändern: Eine "assoziierte Mitgliedschaft" ohne konkrete Verpflichtungen soll Kiew angeboten werden, um - vor dem Gipfel der EU-Ostpartnerschaft in Vilnius im November - in dem Streit mit der EU um die Ukraine Fakten zu schaffen.