Milliardenschaden für EU-Wirtschaft. | Grundproblem bleibt ungelöst. | Brüssel. Die EU kann aufatmen: In absehbarer Zeit soll wieder Gas aus Russland über die Ukraine eintreffen. Denn nach hektischer Telefondiplomatie in der Nacht auf Freitag willigte Moskau schließlich ein, "sofort" wieder zu liefern, wenn eine internationale Beobachtermission an den ukrainischen Übergabestationen ihre Arbeit aufgenommen hat. Das sicherte der russische Premierminister Wladimir Putin in Telefonaten EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag zu.
Die Zusammensetzung der Mission hatte einen bereits weit gediehenen Lösungsansatz zuletzt noch blockiert. Neben Experten aus den EU-Ländern sollen jetzt doch auch Gazprom-Kontrolleure die Durchleitungsterminals in der Ukraine überwachen dürfen. Das hatten die Russen ultimativ gefordert. Im Gegenzug dürfen auch ukrainische Beobachter die Einspeisungsterminals in Russland kontrollieren.
Die Mission soll messen, welche Menge Gazprom losschickt und wie viel davon in der EU ankommt. Moskau will damit sicherstellen, dass die Ukraine kein Gas abzweigt. Kiew ist sich keiner Schuld bewusst und hat daher auch nichts dagegen.
Die EU hat sofort zwei Beobachtergruppen losgeschickt. Die erste sollte am frühen Nachmittag in Kiew eintreffen, die zweite nach einer Koordinierungssitzung in Berlin kurz darauf. Der Expertengruppe gehören auch zwei Vertreter der OMV-Tochter Econ-Gas an. Unklar blieb vorerst, ob auch die russischen Beobachter ihre Zielorte erreicht haben müssen, bevor Gazprom die Schleusen öffnet.
Gas braucht rund drei Tage bis Baumgarten
Sollten die Gashähne noch am Freitag abend aufgedreht werden, dauert es allerdings noch rund drei Tage, bis das Gas auch in der EU - konkret am für Westeuropa zentralen Umschlagplatz in Baumgarten in Niederösterreich - ankommt. Russische Experten nannten eine Vorlaufzeit von 30 Stunden, bis das Gas die Ukraine erreicht. Dort brauche es dann noch einmal "weniger als 36 Stunden", meinten die ukrainischen Kollegen. Im Idealfall könnte die Versorgung der inzwischen fast 20 betroffenen EU-Länder also am Montag wieder anlaufen.
Neben zehntausenden ungeheizten Haushalten in Südosteuropa mussten in einigen Staaten wie Bulgarien und der Slowakei auch die Industriebetriebe massiv heruntergefahren werden. Der wirtschaftliche Schaden des Versorgungsengpasses in der EU wird auf mehrere Milliarden Euro geschätzt.
Allein die Bulgaren beklagen einen Verlust von 250 Millionen Euro pro Tag. Die geschädigten Unternehmen könnten Gazprom oder die ukrainische Naftogaz auf Schadensersatz klagen.
Für den Streit zwischen Moskau und Kiew, der hinter der Gaskrise steht, gibt es allerdings weiterhin keine Lösung. Die Übergangsregelung werde lediglich einige Monate halten, schätzen Diplomaten. Russland will die Gaspreise für die Ukraine weiterhin deutlich mehr erhöhen, als diese bereit ist, zu zahlen. Andererseits beharrt Moskau auf niedrigen Durchleitungsgebühren für den Gastransit in die EU, was wiederum Kiew nicht einsehen will.
Die Ukraine pokert weiterhin auf Zeitgewinn: Die Weltmarktpreise für Gas fallen, Russland ist auf die Einnahmen aus den Gasexporten nach Europa dringend angewiesen. Gazprom erwirtschaftet als größtes Energieunternehmen gut ein Fünftel der Budgeteinnahmen Russlands.