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"Gas-Opec" aus der Taufe gehoben

Von WZ-Korrespondenten Axel Eichholz

Wirtschaft

Putin: "Die Billiggas-Ära ist vorbei." | Ukraine wird sich an Pipeline hängen. | Moskau. Was Wien für das Öl ist, soll Petersburg für das Gas werden: der Sitz des globalen Kartells der Produzenten. Russland, Venezuela und andere Gasproduzenten wollen auf dem Weltmarkt höhere Preise durchsetzen.


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Der russische Regierungschef Wladimir Putin hat gestern, Dienstag, bei einer Tagung der gasexportierenden Länder in Moskau vorgeschlagen, Sankt Petersburg zur Hauptstadt der "Gas-Opec" zu machen. Das Hauptquartier der neuen Organisation soll den Status einer diplomatischen Vertretung erhalten. Die Unterhaltskosten solle das Gastgeberland tragen, heißt es. Dem Forum der Gasexporteure gehören neben Russland Algerien, Bolivien, Brunei, Venezuela, Ägypten, Indonesien, Iran, Katar, Libyen, Malaysia, Nigeria, Vereinigte Arabische Emirate, Oman, Trinidad-Tobago und Äquatorial-Guinea an. Auch Iran und Katar boten an, das Sekretariat bei sich aufzunehmen.

Teheran hatte 2007 bereits die Umwandlung des Gasforums in ein vollwertiges Kartell" angeregt. Moskau verhielt sich damals zu dem Vorschlag mit Rücksicht auf den Westen zurückhaltend. Auch gestern sprach sich der Vizechef des Gazprom-Konzerns, Alexander Medwedew, gegen die Bezeichnung "Gas-Opec" aus. Die neue Organisation solle nicht die Preise vorschreiben, sondern dem Informationsaustausch dienen und die Interessenvertretung der Teilnehmerländer koordinieren, sagte er. Premier Putin machte indes deutlich, dass "die Ära billiger Gaspreise" zur Neige gehe. Er sprach von einer "Globalisierung des Gasmarktes". Gasproduzenten und -verbraucher seien gleichermaßen an einer Stabilisierung des Marktes interessiert. Dies sei nur durch einheitliche Spielregeln zu erreichen, die es heute nicht gebe, so Putin.

Venezuela will Kartell

Der venezolanische Energieminister Rafael Ramirez deklarierte sich allerdings ohne Umschweife für ein Kartell, das auf denselben Grundsätzen wie die Opec aufbauen solle. Die neue Organisation müsse für einen "gerechten" Gaspreis sorgen. Durch die fortschreitende Verwendung der Erdgasverflüssigung werde ein Weltmarkt für dieses Produkt entstehen. Eine ähnliche Ansicht vertrat auch Teheran. Gazprom-Vize Alexander Medwedew sagte dagegen am Rande der Tagung vor Journalisten, es solle kein Gaspreiskartell geben. Die neue Organisation werde sich nicht mit der Preisbildung befassen.

Bisher wurde die Unmöglichkeit eines Gaskartells damit begründet, dass es anders als beim Erdöl keinen Weltmarkt und keinen Weltmarktpreis für Erdgas gebe. Die regionalen Märkte seien an Pipeline-Netze gebunden, hieß es. Gazprom ist der Monopolbesitzer eines von Sibirien und Mittelasien nach Westeuropa reichenden Gasleitungssystems. Für Europa wurde der Gaspreis ausgehend vom aktuellen Ölpreis errechnet. Der jüngste Verfall des Ölpreises stellt dieses Prinzip aus russischer Sicht in Frage. Moskau hatte für kommendes Jahr mit rund 500 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas gerechnet. Geht man jedoch vom aktuellen Ölpreis aus, so müsste der europäische Gaspreis bei rund 250 Dollar auf dem Vorjahresniveau bleiben, was Russland offenbar nicht akzeptieren will.

Energiekonzerne wie die deutsche E.ON, die große Gasabnehmer sind, haben sich gelassen zu den Plänen geäußert. Sie fürchten keine negativen Auswirkungen und verweisen auf bestehende Verträge.

Moskau: Engpässe?

Moskau hat ganz andere Sorgen als die Kartellbildung. Der Aufsichtsratschef von Gazprom, Vizeregierungschef Viktor Subkow, hat diese Woche europäische Regierungen vor möglichen Lieferproblemen gewarnt. Moskau hatte bereits angekündigt, den Gashahn zuzudrehen, wenn die Ukraine ihre Schulden für 2008 nicht sofort begleiche.

"Wir werden ab 1. Jänner kein Gas stehlen", versicherte der ukrainische Vizepräsidialamtschef Alexander Schlapak. Die Ukraine habe für diesen Fall genug Erdgas in unterirdischen Depots angestaut. Dieses Gas lässt sich laut Experten rein technisch nicht in ausreichender Menge bereitstellen. Also werde die Ukraine an die Transitleitung gehen müssen. Zum Schaden der ebenfalls gas-hungrigen Europäer.