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Bei Energie wird Europa immer mehr importabhängig. | Bedeutung von Erdgas nimmt zu. | Wien. "Nicht einmal für eine halbe Stunde waren die Gaslieferungen unterbrochen - seit fast 37 Jahren". In der Zentrale der OMV am Wiener Otto Wagner-Platz gibt man sich gelassen. Österreichs Öl- und Gasriese war 1968 der erste westliche Konzern, der langfristige Gaslieferverträge mit der Sowjetunion abschloss. Und, Kalter Krieg hin, Zerfall der Sowjetunion her, das Gas ist stets geflossen, die Verträge wurden penibelst eingehalten. Mehr als 130 Milliarden Kubikmeter wurden seither aus den Feldern Westsibiriens über die 4.800 Kilometer lange Druschba ("Freundschafts") - Pipeline zum Knotenpunkt Baumgarten im Weinviertel gepumpt.
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Im Frühjahr 2004 hat die OMV ihre Gaslieferverträge mit Gazprom verlängert. Demnach werden die Erdgas-Lieferungen der Russen von bisher 5,5 Mrd. Kubikmeter jährlich schrittweise auf 6,5 Mrd. Kubikmeter erhöht. Die Laufzeit aller Verträge wurde auf 2012 angeglichen.
Österreich deckte im Vorjahr knapp 59 Prozent seines Erdgas-Bedarfs durch Importe aus Russland. Fast ein Fünftel des verbrauchten Gases wird in Österreich gefördert, der Löwenanteil davon von der OMV. Nach zwei weiteren großen Funden im Weinviertel will die OMV den Eigenförderungsanteil bis 2010 auf 25 Prozent steigern. Etwa 13 Prozent stammen aus Deutschland, rund 9 Prozent werden - teurer - aus norwegischen Nordsee-Gasfeldern bezogen.
Erdgasbedarf Europas wird stark steigen
Bis 2010 soll der heimische Gasbedarf von zuletzt rund 8,6 auf 9,5 Milliarden Kubikmeter steigen. Weil Gas in Zukunft verstärkt zur Stromerzeugung eingesetzt werden dürfte, rechnet man in einem anderen Szenario sogar mit einer Steigerung des Bedarfs um ein Drittel.
Für ganz Europa wird Erdgas immer wichtiger: Bis 2030 dürfte dieser Energieträger einen ebenso großen Anteil an der Deckung des Gesamtbedarfs haben wie das derzeit noch unangefochten führende Öl. Und - die Warnrufe und Sparappelle der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris kommen in immer kürzeren Abständen - Europa wird immer abhängiger von Importen. Ist es derzeit noch gut die Hälfte des Energiebedarfs, die außerhalb des "alten Kontinents" eingekauft werden muss, sollen es in 20 Jahren schon 70 Prozent sein. Allein ein Viertel der dann benötigten großen Gasmengen soll aus Russland kommen.
Es sind daher weniger die rauen Töne zwischen Moskau und Kiew, die in Westeuropa für Verunsicherung sorgen - auch wenn 80 Prozent der für Westeuropa bestimmten russischen Gasexporte über ukrainisches Territorium fließen. Niemand glaubt ernsthaft an eine Unterbrechung der Lieferungen - Russland will Erdgas verkaufen - womöglich bald terer - und seinen Ruf als verlässlicher Lieferant nicht aufs Spiel setzen. Aber Europa bekommt wieder einmal deutlich seine Abhängigkeit vor Augen geführt.
"Nabucco" und Pipeline unter der Ostsee
Dennoch arbeiten alle an Alternativen: Die OMV etwa als Teil eines Konsortiums nationaler Ölgesellschaften an der Gaspipeline "Nabucco", die von Zentralasien über die Türkei nach Österreich führen soll. Mit dem Bau der insgesamt 4,6 Milliarden. Euro teuren und 3.300 Kilometer langen Gasleitung soll 2008 begonnen werden, damit 2010 Gas aus dem Raum Iran-Qatar, Irak, Ägypten und Aserbaidschan nach Mitteleuropa fließen kann.
Die deutschen Energieriese E.ON und BASF sind am Bau einer mehr als vier Milliarden Euro teuren Ostsee-Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland beteiligt, durch die künftig die Hälfte der deutschen Gasimporte fließen soll, wobei die Transitländer Ukraine, Weißrussland und - das besonders heftig protestierende - Polen umgangen werden.
Der mehrheitlich staatliche russische Gasmonopolist Gazprom ist der weltgrößte Erdgasproduzent und das größte Unternehmen des Landes. Mit knapp 29 Billionen Kubikmetern besitzt Gazprom etwa ein Sechstel der weltweit nachgewiesenen Gasvorräte. 2004 förderte das Unternehmen 545 Milliarden Kubikmeter Erdgas, mehr als ein Viertel davon wurde nach Europa geliefert.
Russland will mehr nach Südostasien liefern
Künftig will das eurasische Land jedoch seine Erdgas- und Erdölexporte verstärkt in Richtung Südostasien lenken, heißt es in einer Studie der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) - denn die Erdgasfelder in Westsibirien, die für die Exporte nach Europa entscheidend sind, werden nach 2020 bald erschöpft sein.
Wenn aber doch ab 1. Jänner kein Gas mehr durch die Ukraine fließt? Bei der OMV ist man, wie gesagt, nicht nervös. Für zwei Monate reichen erst einmal die österreichischen Krisenlager.