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Gasmarkt: Mahnbriefe aus Brüssel

Von Wolfgang Tucek und Helmut Dité

Wirtschaft

Österreich - und 17 andere Länder - säumig bei Öffnung der Energiemärkte.


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Brüssel/Fuschl. Für die Gasbranche kommt es Schlag auf Schlag. Nachdem erst die EU-Wettbewerbshüter Razzien bei rund 20 Unternehmen - darunter die OMV - durchgeführt hatten, kam am Donnerstag eine ernste Rüge von EU-Energiekommissar Günther Oettinger. An Österreich und 17 weitere Länder schickte er formelle Mahnschreiben, weil sie das so genannte 3. Binnenmarktpaket für den Gas- und Strommarkt nicht umgesetzt haben - bis März dieses Jahres hätte es soweit sein sollen.

Dabei geht es vor allem um die Liberalisierung des Marktes für mehr Wettbewerb, etwa die Öffnung der Leitungen und Pipelines für Konkurrenten, die Stärkung der Regulierungsbehörden, die Trennung von Gasförderung und -vertrieb einerseits sowie den Betrieb der Pipelines andererseits. Kunden sollen zudem binnen Tagesabstand problemlos ihren Energieanbieter wechseln können.

Die Staats- und Regierungschefs haben im Frühjahr vereinbart, den Energiebinnenmarkt bis 2014 zu komplettieren. In der Erreichung dieses Ziels sind die Mitgliedstaaten aber nicht besonders eifrig.

Zusätzlich zu den jetzt eröffneten EU-Verfahren haben 19 Länder sogar die vorletzte Reform - das zweite Binnenmarktpaket - noch nicht umgesetzt. Die Frist dafür wäre 2006 abgelaufen, auch hier gehört Österreich zu den säumigen Ländern. Die letzte Verwarnung gab es im Juni 2010, die Kommission prüft derzeit eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.

Zum jetzigen Zeitpunkt bereits ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten wäre "eine relativ unfreundliche Vorgangsweise", meinte Wirtschafts- und Energieminister Reinhold Mitterlehner am Rande der Verbund-Tagung "Energie 2050" im salzburgischen Fuschl vor Journalisten. Über den seit Frühjahr im Parlament liegenden Gesetzentwurf zu Gaswirtschaftsgesetz (GWG) habe man Brüssel informiert. Erforderlich ist im Nationalrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Das bisher von der Opposition blockierte neue GWG könne im Herbst beschlossen werden, man sei dazu mit FPÖ und BZÖ im Gespräch, mit der Zustimmung der Grünen rechne er nicht, so der Minister.

Gaskartell: "EU hat Handlungsbedarf"

Beim aktuellen Verdacht auf ein Erdgaskartell, dem die EU-Kommission wie berichtet seit Tagen mit Razzien in mehreren Ländern - auch Österreich - auf der Spur ist, könnte laut Mitterlehner herauskommen, dass die lang laufenden sogenannten Take-or-pay-Verträge EU-Recht widersprechen - denn "ein großer Anbieter, der aus Russland kommt, gestaltet maßgeblich die Konditionen", so der Minister, ohne den Namen Gazprom zu nennen. Hier habe die EU selbst durchaus Handlungsbedarf.

Es gehe weniger um die Preise als vielmehr um die Lieferbedingungen: Sehr große Unternehmen würden hier eine Mengensteuerung versuchen, die dazu führe, dass der Wettbewerb behindert werde.