Noch immer kein Liefervertrag für die Ukraine für 2009. | Gazprom weist Schuld zurück: "Kiew stiehlt Gas." | Moskau. Der Gasstreit zwischen Kiew und Moskau eskaliert. Es gibt immer noch keinen Liefervertrag für 2009. Der Chef des russischen Gazprom-Konzerns, Alexej Miller, hat zuletzt sogar die Preisforderung an die ukrainische Gasgesellschaft Naftogas von 418 auf 450 US-Dollar pro tausend Kubikmeter Gas erhöht.
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Naftogas habe sein "exklusives" Preisangebot von 250 Dollar ausgeschlagen, auch den mittelasiatischen Preis von 370 Dollar sowie den durchschnittlichen europäischen Preis von 418 Dollar nicht akzeptiert, sagte Miller. Er hoffe, dass das neue Angebot von 450 Dollar die Ukrainer an den Verhandlungstisch zurückbringe. Naftogas hatte bisher 179,5 Dollar pro tausend Kubikmeter bezahlt und war nur bereit, den Preis auf 201 Dollar beziehungsweise 235 - bei einer gleichzeitigen Erhöhung der Transitgebühr für Westtransporte - anzuheben.
Am Dienstag traf eine Delegation der EU-Kommission in Kiew ein, am Vortag hatte man in Moskau die Lage sondiert, nachdem bereits ein Druckabfall bis zu 30 Prozent aus sechs EU-Ländern, aus der Türkei und Mazedonien gemeldet worden war.
Die Ukraine und Russland beschuldigen einander gegenseitig, für die Minderlieferungen in den Westen verantwortlich zu sein. Kiew wirft Moskau vor, Transitlieferungen durch die Ukraine zu drosseln. Moskau spricht von "Gasklau" in der Ukraine. Naftogas gab zu, 25 Millionen Kubikmeter aus der Transitleitung für "technische Zwecke" entnommen zu haben. Dagegen sagte Gazprom-Sprecher, Sergej Kuprijanow, 50 Millionen Kubikmeter seien daraus an einem einzigen Tag verschwunden.
Rechtsstreit entbrennt
Gazprom will den ukrainischen Partner nun beim zuständigen europäischen Handelsgericht verklagen. Der Direktor des ukrainischen Zentrums für Energieprogramme, Nomos Michail Gontschar, erklärte hingegen laut Nachrichtenagentur Unian, er schließe nicht aus, Gazprom drossele die Liefermenge absichtlich, um die Ukraine "in Misskredit zu bringen".
Unterdessen erklärte ein Gericht in Kiew das zwischen Gazprom und Naftogas bestehende Transitabkommen für nichtig. Naftogas will die darin vereinbarte Transitgebühr von 1,7 Dollar pro tausend Kubikmeter Gas und hundert Kilometer Pipelinestrecke vervierfachen. Russland erkennt den Gerichtsbeschluss nicht an, die Ukraine sperrte drei von vier Transipielines.
Teufel im Detail
Gazprom macht die Tilgung aller ukrainischen Schulden zur Bedingung für den Vertrags-Abschluss 2009. Naftogas behauptet, alle Schulden für 2008 bezahlt zu haben. Gazprom vermisst aber noch 600 Millionen Dollar an Verzugszinsen und Konventionalstrafen. Schließlich seien Schulden und Strafen im zwischenstaatlichen Verhältnis eine normale Angelegenheit. Letztlich hängt alles an der ausstehenden Preiseinigung, wobei es für die scheinbar widersinnig große Differenz zwischen 201 und 450 Dollar durchaus eine Erklärung gibt. Das Gazprom-Angebot von 250 Dollar verstand sich als Fixpreis für das Gesamtjahr. Der hohe Preis von 418 beziehungsweise 450 Dollar gilt dagegen nur für das erste Halbjahr und soll dann aufgrund des Durchnittsölpreises der ersten sechs Monate revidiert werden. Am Ende könnte er sich sogar als günstiger erweisen. Hinzu kommt die Preisbildung für mittelasiatisches Gas, das Gazprom für die Ukraine einkauft. Die Lieferanten verlangen angeblich inzwischen 340 Dollar. - angesichts der langen Transitstrecke erscheint der Gazprom-Endpreis von 370 Dollar nicht mehr sensationell hoch.
Geht Tschernomyrdin?
Und schließlich gibt es das "politische Moment", dessen Vorhandensein beidseitig bestritten wird. In Moskau verdichten sich Gerüchte um einen Botschafterwechsel in Kiew. Der russische Botschafter, Ex-Regierungschef und Gazpromgründer Viktor Tschernomyrdin solle wegen schlechter Gesundheit zurücktreten. Ihm werden seit Jahren "besondere Beziehungen" zur ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko nachgesagt.