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Als im Dezember 2000 der europäische Gipfel von Nizza in ein kleinliches Feilschen um Macht ausgeartet war, reifte die Entscheidung, es für die nächste Verfassungsänderung der EU einen Konvent einzusetzen. Dieser Konvent, dem 56 nationale Parlamentarier angehörten, 28 Vertreter der Regierungschefs, sechzehn Mitglieder des Europaparlaments und zwei Kommissare, sollte eine Verfassung für Europa ausarbeiten und im Konsens verabschieden und dann den Staats- und Regierungschefs vorlegen. Nach siebzehn teilweise sehr mühsamen Monaten der Arbeit an einer neuen Verfassung für die EU - einfacher, effizienter in den Entscheidungsprozessen, bürgernäher usw. - konnte ein Entwurf im Konsens verabschiedet und den Auftraggebern vorgelegt werden.
Inzwischen waren allerdings fast drei Jahre seit dem Debakel von Nizza ins Land gegangen. Der Schock und das schlechte Gewissen der Beteiligten über ihre damalige performance war verflogen. Und so fingen immer mehr Regierungen an, gegen das Ergebnis und gegen einander zu arbeiten. Die spanische Außenministerin erklärte sogar bereits in der feierlichen Schlusssitzung des Konvents am 10. Juni 2003, Spanien werde das Ergebnis wegen der neuen Stimmrechtsverteilung nicht akzeptieren. Österreich bemühte sich nachhaltig um eine Frontstellung der kleinen und mittleren Staaten gegen die Großen. Das Vereinigte Königreich wollte, wie immer, möglichst wenig Europa und möglichst viel nationalstaatliche Lösungen. Und zuletzt war es dann die polnische Regierung, die sich etwas unerfahren den schwarzen Peter des Schuldigen am Scheitern holte.
Die Europäische Union ist ein Instrument, das sich ihre Mitglieder geschaffen haben, um mit ihrer Hilfe wirkungsvoll Politik betreiben zu können, wo das Einzelstaaten nicht mehr können. Dieses Instrument funktioniert gut, wenn man es gemeinsam pflegt und betreibt. Dazu müssen alle bereit sein, auf einander zu zu gehen. Wer glaubt, "in Brüssel" nur heraus holen zu können, hat die europäische Integration nicht verstanden. Sie war deshalb bisher erfolgreich, weil es gelungen ist, den Wettbewerb der Nationalstaaten zu sublimieren und in Grenzen zu halten. Und weil die Mitglieder verstanden haben, worum es geht: Wirkungsvoll Politik für Frieden und Wohlstand zu machen. Bei Rückkehr dieser Einsicht ist die EU auch jetzt durchaus zu retten.
* Dr. Caspar Einem, Abgeordneter zum Nationalrat, ist Europasprecher der SPÖ.