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Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) scheint sich in einem Zustand ständiger Reform zu befinden. Wir haben in den vergangenen Jahren an dieser Politik zu oft nur oberflächliche Retuschen vorgenommen und die erforderliche radikale Erneuerung vermieden. Von einem ständigen Aufschieben von Veränderungen profitiert jedoch niemand, am allerwenigsten die europäischen Bauern.
Nun kann dem Druck, der auf der GAP lastet, aber kein Widerstand mehr entgegengesetzt werden. Die Konsumenten fragen zunehmend, was sie für ihr Geld eigentlich bekommen. International gesehen haben wir ein System, das den Interessen der Entwicklungsländer schadet und sie zu der Frage veranlasst, ob die Liberalisierung des Handels für die entwickelte Welt wirklich das Kernstück einer nachhaltigen Entwicklung darstellt.
Beim Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg ließen die Entwicklungsländer im September letzten Jahres keinen Zweifel daran, dass bei der Bekämpfung ihrer Armut der Agrarpolitik der entwickelten Welt eine Schlüsselrolle zukommt. Wir sollten uns fragen, wie sich die Agrarwirtschaft in den Entwicklungsländern erfolgreich entfalten soll, wenn die EU deren Märkte mit unseren subventionierten Exporten zu Dumpingpreisen überschwemmt, während sie den Zugang zu unseren eigenen Märkten rücksichtslos beschränkt?
Ohne eine Reform können wir unsere Verpflichtungen gegenüber den Entwicklungsländern nicht erfüllen, und laut Zeitplan ist über eine Reform in den kommenden Monaten Einigung zu erzielen. Es reicht nicht, einfach darauf hinzuweisen, dass die EU sich nicht so schlecht verhält wie manche andere Länder. Unsere Politik richtet immer noch mehr als genug Schaden an. Wenn die EU bei der Tagung der Welthandelsorganisation im September eine konstruktive Rolle spielen soll, muss sie glaubwürdige und sinnvolle Vorschläge vorlegen.
Manche Länder meinen, dass die Reform noch Zeit hat, dass die gegenwärtige GAP gar nicht so schlecht ist; dass sie mehr Nutzen als Schaden stiftet. Nichts könnte jedoch von der Wahrheit weiter entfernt sein. Das bedeutet nicht, dass wir die GAP abschaffen wollen. Wir anerkennen die Notwendigkeit einer Stützung des Agrarsektors in der EU. Aber sehen wir den Tatsachen ins Auge: Abgesehen davon, dass die Gemeinsame Agrarpolitik die europäischen Steuerzahler pro Jahr etwa 45 Mrd. Euro kostet, kostet sie die Konsumenten noch weitere 50 Mrd. Euro, wenn nicht mehr.
Eine nachhaltige Landwirtschaft braucht zweifellos gewinnbringend und erfolgreich wirtschaftende Bauern. Wir brauchen eine Politik, die Initiative und Unternehmungsgeist sowie die Produktion qualitätsvoller Nahrungsmittel belohnt, nicht aber die Erzeugung von Lebensmittelbergen, für die kein Markt existiert. Gegenwärtig sehen sich die Bauern allzu oft gezwungen, sich eher um Subventionen zu bemühen als auf die Nachfrage auf dem realen Markt zu reagieren. Die Kommission schlägt vor, diesen Zusammenhang zwischen Produktion und Subvention zu zerschlagen. Das ist ein mutiger und radikaler Schritt, den ich aus vollster Überzeugung unterstütze.
Vor einer Reform sollten wir uns nicht fürchten. In machen Regionen Österreichs, des Vereinigten Königreichs und der meisten anderen Mitgliedsstaaten wird die völlige Entkoppelung der Agrarförderung von der Produktion zu einem Rückgang des Produktionsniveaus mit den entsprechenden Folgen für Umwelt und Wirtschaft führen. Die zweite Säule der GAP sieht jedoch Maßnahmen vor, die zum Ausgleich der negativen Auswirkungen der Reform eingesetzt werden können. Uns steht ein Instrumentarium zur Verfügung, mit dem wir die Ertragskraft der Landwirtschaft sogar steigern können. Wir müssen nur den Mut haben, es auch zu benützen.
Die gegenwärtige GAP erzeugt Probleme, aber keine Lösungen. In der gesamten EU stellt man sich mehr denn je die Frage, ob die den Menschen zu Gute kommenden Vorteile das investierte Geld wert sind.
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* Elliot Morley ist Unterstaatssekretär im britischen Landwirtschaftsministerium und nimmt derzeit in Wien an einer Konferenz zum Schutz der europäischen Wälder teil.