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Wäre Edeltraud Gatterer ein Fußballspieler, sie zählte fraglos nicht zu den Primadonnen, die im gegnerischen Strafraum herumstehen und auf die Flanke warten. Nein, viel eher wäre sie ein wahrer
Mittelfeldmotor, ein unermüdlicher Rackerer, der auch in der Verteidigung aushilft, wenn es dort pressiert. Und so steht auch die Politikerin Gatterer eher selten im Rampenlicht. Aber ohne ihre
kontinuierliche Hintergrundarbeit wäre das Hohe Haus entschieden ärmer.
Die Villacherin stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Der Vater starb früh, und die Mutter mußte nicht nur die 1954 geborene Edeltraud, sondern auch ihre beiden Schwestern alleine großziehen. So
tragisch es war, bereits mit fünf Jahren Halbwaise zu sein, Edeltraud Gatterer ließ sich nicht unterkriegen: "Wenn der Vater fehlt, dann ist man dazu angehalten, früh selbständig zu sein", resümiert
sie über ihre Jugend. Sie machte ihre Matura, obwohl sie nebenbei immer wieder einmal Ferien- und Aushilfsjobs übernahm, und trat danach in die Post ein. Sehr früh fand sie den Mann für's Leben,
heiratete mit 18 und ist seitdem immer noch glücklich verheiratet. 1974 kam ihr Sohn Roman, 1976 Tochter Maria zur Welt, die heute beide in Salzburg Jus studieren.
Es waren auch die Kinder, die sie endgültig zur Politik brachten. Ende der 70er Jahre spaltete die Zwentendorf-Frage Österreich in zwei Lager. Und Gatterer war "eine entschiedene Gegnerin der
Atomkraft." Sie wandte sich der ÖVP zu, zumal sie in dieser Partei die einzigen konsequenten Anti-Zwentendorf-Protagonisten erkannte. Nach einiger Zeit in der VP-Sektion St. Martin kam sie mit der
ÖVP-Frauenbewegung in Kontakt, deren Landessekretärin sie in der Folge wurde. Etwa zur gleichen Zeit wechselte sie von der Post in den Fremdenverkehr und leitete bis 1988 ein Fremdenverkehrsamt in
Kärnten. In diesem Beruf sieht Gatterer auch heute noch eine Berufung: "Egal, wo ich hinkomme, ob im Europarat oder bei anderen Gelegenheiten, stets mache ich Werbung für Österreich und für Kärnten."
1985 wurde Gatterer schließlich Gemeinderätin in Villach, um, mittlerweile zur Landesleiterin der Frauenbewegung avanciert, im November 1990 in den Nationalrat zu übersiedeln. Ob der so rapid
angewachsenen politischen Arbeit mußte Gatterer auch auf ihren Beruf im Fremdenverkehr verzichten. Auch sei sie 1990 froh gewesen, daß ihre Kinder schon alt genug gewesen seien, um die nun häufige
Abwesenheit der Mutter schadlos zu verkraften. Gatterer war und ist ein Familienmensch. Sie nutzt auch heute noch jede sich bietende Gelegenheit, um mit den Kindern und den Verwandten zusammenzusein.
Und wie es sich für echte Kärntner gehört, wird in solchen Momenten auch gern ein Lied angestimmt. Doch bei aller Vorliebe für Kärntner Chöre ist Gatterers Musikgeschmack nicht einseitig. Genauso
kann sie sich für Klassik oder Popmusik erwärmen. Zu ihrem Haushalt zählt jedoch nicht nur die Familie im eigentlichen Sinn. Es gibt auch zwei ältere Katzendamen · und jede Menge Pflanzen.
Eigentlich bezeichnet sich die Politikerin als "total unsportlichen Menschen", doch wenn man einmal genauer nachfragt, dann stellt sich schnell heraus, daß Gatterer die klassischen Kärntner
Sportarten · Eislaufen, Schwimmen und Wandern · durchaus engagiert betreibt. Daneben ist sie aber auch eine begeisterte Leserin, oftmals im englischen Original. Die Palette reicht dabei von sperriger
Philosophie bis zu Trivialliteratur á la "Der Medicus". "Beim Bett liegen immer mehrere Bücher, und ich entscheide mich dann je nach Stimmung. Und wenn ich krank bin, dann les' ich den Weidinger",
setzt Gatterer verschmitzt lächelnd hinzu. Zu guter Letzt ist Gatterer auch beim Essen Patriotin: "Keine Frage, mein Leibgericht sind Kärntner Kasnudeln."
Obwohl Villach nicht wirklich zum zweisprachigen Gebiet Kärntens zählt, ist Gatterer über die Situation der Kärntner Slowenen sehr wohl informiert: "Das ist ein Thema, bei dem in Kärnten immer noch
die Wogen hochgehen. Persönlich habe ich aber überhaupt kein Problem mit den Anliegen der Slowenen. Im Gegenteil, mein Sohn lernte am Gymnasium Slowenisch sogar als Freigegenstand, und meine Kinder
waren oftmals auch auf den Camps der slowenischen Jugendlichen. Persönlich hoffe ich, daß hier schon in der nächsten Generation eine weitere Normalisierung eintritt."
Das wichtigste politische Ziel ist Gatterer die soziale Absicherung der Familie. Gerade aus ihrer eigenen Erfahrung weiß sie, wie groß die Gefahr, vor allem für größere Familien, sein kann, in echte
Armut abzurutschen. Ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit und Sicherheit ist für Gatterer dabei die Umsetzung der Forderung "Karenzgeld für alle": "Gerade für Schülerinnen, Studentinnen und Hausfrauen
ist eine solche Regelung wichtig und fair. Meines Erachtens sollte es für alle, die in Österreich wohnen, Karenzgeld geben. Auch für Ausländer, denn es ist ja nicht so, daß die irgendwo auf der Welt
sitzen und sich dann sagen: ,So, jetzt geh' ich aber zum Gebären nach Österreich`." Daneben harre aber immer noch die alte Parole nach Lohngerechtigkeit, nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit ihrer
Verwirklichung. Es könne nicht angehen, daß Frauen in dieser Hinsicht immer noch benachteiligt sind. Auch müßten Beruf und Familie vereinbar sein. Familien- und Frauenpolitik seien ineinander
übergreifende Themata, so Gatterer, die ihrer Partei anempfiehlt, hier mehr Sensibilität an den Tag zu legen: "Die ÖVP muß erkennen, daß ohne Frauen kein Staat zu machen ist · und auch keine Partei
der Zukunft." Dementsprechend müßte auch die an sich beschlossene Drittelquote umgesetzt werden.
Gatterer ist aber auch Mitglied der österreichischen Delegation zur Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Und in dieser Funktion befaßt sie sich intensiv mit dem Fragenkomplex Altenpflege
und Betreuung Sterbenskranker. Sie plädiert hier für einen Ausbau der Palliativmedizin. Sosehr aktive Sterbehilfe abzulehnen sei, so sehr sollten die Möglichkeiten der Sterbebegleitung ausgebaut
werden. Aber auch die Pflege der Alten müsse überdacht werden. Es brauche Regelungen, die es den Pflegenden erlaubten, ihre Betreuungstätigkeit mit einem Beruf zu vereinbaren. Es gäbe zwar seit
geraumer Zeit die Einrichtung des Pflegegeldes, aber sozialrechtliche Absicherungen für privates Pflegepersonal stünden nach wie vor aus, moniert die Politikerin, die sich aber auch für die ganz
Jungen unserer Gesellschaft starkmacht: "Kinder sind kleine Menschen, die große Rechte brauchen", erklärt Gatterer, die erst vor kurzem eine Bürgerinitiative gegen Kindesmißbrauch erfolgreich auf
Touren gebracht hat. Zu tun gibt es freilich noch immer genug. Soviel, daß es auch für die nächsten Gesetzgebungsperioden reicht.Õ
Andreas P. Pittler ist Mitarbeiter des Parlamentarischen Pressedienstes