Berlin - Zehn Jahre lang hat Joachim Gauck unerschrocken und manches Mal aufmüpfig eine der schwierigsten Erbschaften der deutschen Wiedervereinigung verwaltet. Der Herr über die Stasi-Archive schied gestern aus seinem Amt. Eine dritte Wahl war nach dem Gesetz nicht möglich.
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Seine Nachfolgerin wird die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Marianne Birthler.
Etwa 180 Kilometer ist die Aktenkette lang, die der einstige DDR-Inlandsgeheimdienst mit seinem immensen Spitzel-Apparat hinterlassen hat. Noch immer gingen 10.000 Anträge pro Monat auf Akteneinsicht bei der Behörde ein, erkärte Gauck kürzlich im ZDF. Der Mitbegründer der Bürgerrechts-Bewegung "Neues Forum" in Rostock, der als protestantischer Pfarrer in der Wende-Zeit für eine friedliche Revolution stritt, wollte dazu beitragen, dass "das geheime Herrschaftswissen der Unterdrücker (zum) Wissen aller" geworden sei.
Gauck war selbst Opfer des Unterdrückungs- und Überwachungs-Apparates der DDR und machte bei der Durchsicht "seiner" Stasi-Akten die gleichen Erfahrungen wie so viele andere: Mitglieder seiner Kirchen-Gemeinde, denen er vertraute, hatten ihn bespitzelt. "Das hat mich tief erschreckt." Er konnte aber auch nachlesen, dass Menschen solchen Verrat abgelehnt hatten. "In ganz vielen Akten gibt es Leute, die Nein sagen." Die Aufarbeitung gerade der Stasi-Vergangenheit ist für ihn noch lange nicht erledigt. Bis 2006 wird jeder überprüft, der in den Staats-Dienst will, ob er Mitarbeiter der Stasi war.