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Gaza-Offensive bringt Ägypten unter Druck - gleich von mehreren Seiten

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Seit 2005 hat Ägypten an Israel Gas zu Preisen geliefert, die aktuell unter den Weltmarktpreisen liegen. Nun hat das Oberste Verwaltungsgericht in Kairo ein Urteil vom November bestätigt, das diese Lieferungen stoppt. Die Regierung hatte Einspruch dagegen erhoben - man ist seit einiger Zeit an guten Beziehungen zu Israel interessiert. | Gaza: 40 Tote bei einem Angriff


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Nun kommen offenbar auch bei Präsident Hosni Mubarak Zweifel daran auf, ob der gute Wille auf Gegenseitigkeit beruht. Denn die Gaza-Offensive hat er noch vor dem Einmarsch der Bodentruppen als "israelische Falle" für Ägypten bezeichnet. Deshalb riegelt das Land den Grenzübergang im Süden des Gaza-Streifens hermetisch ab; nur ein paar Schwerverletzte dürfen den Kriegsschauplatz verlassen. Würde sein Land die Grenze zu dem von der Hamas kontrollierten Gebiet öffnen, erläuterte Mubarak, könnte Israel versuchen, die Verantwortung für den Gaza-Streifen Ägypten zuzuschieben.

Auch europäische Kommentatoren halten ein solches Kalkül der Israelis für denkbar. Denn das einzige offiziell verkündete Kriegsziel, die Offensive solle den terroristischen Raketenbeschuss israelischen Gebietes beenden, wirkt fadenscheinig und eher an die israelischen Bürger gerichtet, die am 10. Februar wählen sollen. Aber die in Heimarbeit gebastelten Kassam-Raketen sind schon auf jüdische Siedlungen niedergegangen, als Israel den Gaza-Streifen noch besetzt hielt. Bestenfalls die größeren Raketenwerfer mit der Bezeichnung "Grad", deren Geschosse weiter reichen als die Kassam, könnte die israelische Armee jetzt ausschalten.

Die Hamas zu zertrümmern halten Analytiker gleichfalls für unmöglich. Der Nachwuchs für die getöteten Funktionäre und Ordnungskräfte rekrutiert sich aus jenen, die jetzt die Attacken Israels miterleben müssen. Und diese Schläge können nie so zielgerichtet sein, wie es Israel suggerieren will. Das liegt nicht einfach daran, dass sich die Hamas hinter Zivilisten versteckt, sondern schlicht an der Bevölkerungsdichte in einem der am engsten besiedelten Flecken der Erde.

Da erscheint die Schlussfolgerung Mubaraks, Israel wolle seinem Land Verantwortung für den Gaza-Streifen aufbürden, nur folgerichtig. Auch wenn die bisherigen Vermittlungsbemühungen von Ägyptens Diplomaten allesamt erfolglos blieben, gehören sie zu den wenigen, die mit allen Konfliktparteien sprechen können. Israels Politik könnte darauf abzielen, dass Ägypten noch mehr in die Waagschale wirft - etwa Friedenstruppen in Gaza.

Mubarak steht aber auch im eigenen Land unter Druck. Die Muslimbruderschaft fordert ebenso wie andere arabische Länder Hilfe für die abgeriegelten palästinensischen Brüder. Das verheißt dem Präsidenten im Dauerclinch mit den Islamisten eine unruhige Zukunft.

Seiten 5 und 6

analyse@wienerzeitung.at