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Die Gespräche zischen den Aktivisten in Hongkong und der Regierung werden auch in Taiwan genau beobachtet. | Dort gelten die Ereignisse in der Finanzmetropole den China-Kritikern als warnendes Beispiel.
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Peking/Taipeh/Wien. Es ist zumindest eine Art Verschnaufpause: Das Protestcamp in Hongkong ist auf ein paar hundert Teilnehmer geschrumpft. Nun wird abgewartet, was die Verhandlungen zwischen den Anführern der Aktivisten, die die Finanzmetropole mit ihren Blockaden teilweise lahmgelegt haben, und der Hongkonger Regierung bringen.
Die Gespräche stehen aber unter keinen guten Vorzeichen: Denn Hauptforderungen der Protestbewegung stehen nicht einmal auf der Agenda. Etwa dass bei der Wahl 2017 eine freie Auswahl der Kandidaten besteht und diese nicht die Zustimmung Pekings benötigen. Deshalb könnten die Verhandlungen nirgendwohin führen, was eine erneute Protestwelle auslösen könnte.
Aber auch die Hongkonger Regierung hat bei den Gesprächen wohl nur eingeschränkten Spielraum. Denn nicht in Hongkong, sondern in Peking wird das letzte Wort gefällt, zu welchen Konzessionen man gegenüber der Demokratiebewegung bereit ist.
Unter Politanalysten herrscht eher die Ansicht vor, dass sich die Kommunistische Partei (KP) nicht bewegen wird. Dafür werden verschiedene Gründe genannt. So beharrt KP-Generalsekretär und Staatschef Xi Jinping immer wieder darauf, dass die Partei Stärke zeigen muss. Die KP muss demnach von oben bestimmen, welchen Kurs das Land nimmt, und darf sich dabei nicht von irgendwelchen Studentenorganisationen beirren lassen.
Und auch wenn Hongkong dank freieren Medien und unabhängiger Justiz einen Sonderstatus besitzt, geht es bei den Verhandlungen wohl um mehr als um die Zukunft der Millionenmetropole. Die Führung in Peking könnte fürchten, dass ein Nachgeben in Hongkong Oppositionelle innerhalb der Volksrepublik beflügelt. So haben etwa auch uigurische und tibetische Aktivisten sich in den sozialen Medien immer wieder über die Proteste in Hongkong geäußert.
Die Ereignisse in Hongkong strahlen zudem auch nach Taiwan aus. Dort wird genau beobachtet, wie sich Chinas Staatsführung verhält. Taiwan hat eine ganze eigene Beziehung zu Peking: Die Insel ist de facto unabhängig und besitzt eine eigene Regierung, wird aber von der Volksrepublik China als abtrünnige Provinz betrachtet.
Tränengas bestätigt Kritiker
Peking propagiert genau das Hongkonger Modell als Blaupause für Taiwan: Man vereinigt sich wieder in einem Land, lässt dafür aber verschiedene politische Systeme zu. Doch für die taiwanesischen Kritiker der Volksrepublik gilt Hongkong als warnendes Beispiel, dass Peking nicht sein Wort hält - und sie fühlen sich durch die Bilder vom Tränengas, mit dem die Sicherheitskräfte in Hongkong gegen die Demonstranten vorgingen, bestätigt.
In der Hauptstadt Taipeh fanden bereits Solidaritätskundgebungen mit den Demonstranten in Hongkong statt. An vorderster Front war daran die "Sonnenblumenbewegung" beteiligt, die wiederum die Hongkonger Aktivisten beraten hatte, wie man einen Protest organisiert. Die vor allem von Studenten getragene Bewegung hatte im Frühling das Parlament in Taipeh gestürmt, um gegen ein Abkommen zu demonstrieren, das den Handel mit China stärker liberalisiert hätte. Das Abkommen sei hinter verschlossenen Türen und undemokratisch zustande gekommen, zudem würde es China zu viel Einfluss auf Taiwan geben, argumentierte die Bewegung. Mittlerweile wird der Vertrag nochmals überprüft.
Taiwans Präsident Ma Ying-jeou von der Kuomintang-Partei sucht die Annäherung an die Volksrepublik und einen größeren wirtschaftlichen Austausch mit Festlandchina. Doch die Ereignisse in Hongkong bringen ihn und seinen Kurs in Bedrängnis. "Wir sollten von Hongkong lernen, was passieren kann, wenn wir ökonomisch zu sehr von China abhängen", sagte kürzlich die Parlamentarierin Chou Ni-an von der "Taiwanesischen Solidaritätsunion". Diese propagiert zwar schon lange mehr Distanz zu Peking - doch nun erhalten derartige Stimmen wieder Auftrieb.