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Gebautes Marktversagen

Von Reinhard Seiß

Politik

Bürobauten sind ein gutes Geschäft, aber nicht für die Stadt.


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Orte überzogener Renditeerwartungen: Bürokomplexe rund um das Gasometer (o.) und in der Altmannsdorfer Straße. Wiens Büromarkt hat sich zu einer Spielwiese für Spekulanten entwickelt.
© Reinhard Seiß

Wien. Vor wenigen Wochen verkündeten die sieben größten Gewerbeimmobilienmakler Wiens, den Büroflächenbestand der Bundeshauptstadt künftig gemeinsam zu erheben, um den statistischen Wildwuchs unterschiedlicher Büromarktberichte zu beenden. Die bisherigen Zahlen basierten auf einer Arbeitsstättenzählung des Österreichischen Statistischen Zentralamts von 1991, die sämtliche Büroarbeitsplätze erfasste - also auch jene in Schulen, Universitäten oder Krankenhäusern, in Werkstätten ebenso wie in Produktionsbetrieben, die allesamt nie auf den Büromarkt gelangten. So wurde seither eine viel zu große Grundmenge an Büroflächen - gemäß aktueller Fortschreibung knapp elf Millionen Quadratmeter - herangezogen, um auf dieser Basis eine Leerstandsrate zu ermitteln, die mit rund sechs Prozent rechnerisch im mitteleuropäischen Schnitt, faktisch jedoch deutlich unter dem realen Anteil unvermieteter Büros lag.

Dieser moderate Wert kam jahrzehntelang all jenen entgegen, die neue Büros projektieren, planen, bauen und an Investoren verkaufen wollten, suggerierte er doch gute Verwertungschancen. Er beließ aber auch Wiens Planungspolitik im illusorischen Glauben, dass der hiesige Büromarkt ein gesunder sei und jedes neue Projekt zum Prosperieren der Stadt beitrage. Ein Irrtum, den das Rathaus entweder durch die Recherche eigener Daten oder zumindest durch den nüchternen Vergleich des beschaulichen Wirtschaftswachstums mit der Unzahl neuer Bürobauten, die es seit den 90er Jahren genehmigt, auflösen hätte könne.

Wiens Makler gehen nun nach ihrer bereinigten Erhebung von einem nur halb so großen - verfügbaren - Büroflächenangebot im Umfang von rund 5,5 Millionen Quadratmetern aus, was eine doppelt so hohe Leerstandsrate bedeuten würde. Doch haben sie dafür nur moderne Büros berücksichtigt, die seit 1990 errichtet oder generalsaniert wurden - sprich, etwa über eine zeitgemäße IT-Infrastruktur und eine heute übliche Klimatisierung verfügen. Büroräume in Gründerzeitbauten, die dank solider Bauweise auch ohne künstliches Raumklima funktionieren, oder aus den 60er, 70er und 80er Jahren wurden - falls nicht jüngst "refurbished" - nicht einmal erfasst. Dies mag der Rationalität der Immobilienbranche entsprechen, stellt aus gesamtstädtischer Sicht aber eine gehörige Selbsttäuschung dar - die freilich Tradition hat: Schon bisher umfasste die offizielle Leerstandszahl nur jene Büroflächen, die tagesaktuell auf heutigem Standard vermietbar waren.

Zweistellige Leerstandsraten

Immerhin bieten die neuen Zahlen eine aussagekräftige regionale Differenzierung des Leerstands, den die Makler wienweit nun mit sieben Prozent angeben. Während in den inneren Bezirken mit ihrer nach wie vor funktionsdurchmischten Stadtstruktur und tendenziell kleineren Bauten lediglich vier Prozent der "modernen" Büroflächen ungenutzt sind, verzeichnen die Hotspots des spekulativen Bürobaubooms mit ihren monofunktionalen, großmaßstäblichen Komplexen zweistellige Leerstandsraten: 10 Prozent im Stadtentwicklungsgebiet Erdberg-St. Marx, 10,5 Prozent in Wiens urbanistischem Vorzeigeviertel Donau City und stolze 13,3 Prozent am Wienerberg. Dennoch wird an all diesen Standorten kräftig weiter neuer Büroraum geschaffen.

Der Südosten Wiens ist seit der Verlängerung der U3 von Erdberg nach Simmering generell ein Ort überzogener Renditeerwartungen. Sinnbild des Scheiterns ist die Gasometer City mit ihrem schon nach wenigen Jahren brachgefallenen Shopping & Entertainment Center. Aber auch als "Kristallisationspunkt" eines lebendigen Stadtteils, den die Planungspolitik in ihrem Umfeld verheißen hatte, ohne Nennenswertes dafür zu tun, versagten die umgebauten historischen Gasspeicher. Bis heute entstanden rings herum vor allem voluminöse, autistische Bürokomplexe, die keinerlei Beitrag zu einer wie auch immer gearteten urbanen Szenerie bilden - insbesondere nicht, solange sie niemand braucht.

Nur Mitarbeiter von Security-Firmen

So geschehen etwa beim Marximum, einem 2010 realisierten "Office Campus" mit 40.000 Quadratmetern Büros, in dem man in den ersten Jahren nur Mitarbeiter von Security Firmen sah, die darauf achteten, dass die fünf makellos weißen Neungeschoßer sowie die akkurat gestalteten Freiräume dazwischen nicht zum Ziel von Vandalen oder anderen unliebsamen Besuchern werden. Unmittelbar daneben prangte auf dem gleichzeitig fertiggestellten MGC Office Park - einem wuchtigen, achtgeschoßigen Block von 200 Metern Länge und 90 Metern Breite - lange in großen Lettern der Hinweis, dass hier bis zu 20.000 Quadratmeter Bürofläche zu haben seien. In solch schweren Fällen von Fehleinschätzung der Marktlage konnten sich Wiens Investoren freilich immer wieder auf das Rathaus verlassen - das beim MGC als Zwischennutzer auftrat und vorübergehend einen Teil des Überangebots für eine Magistratsabteilung anmietete.

Zum System wurde diese Vorgangsweise unweit davon in TownTown - einer ganz und gar unstädtischen Bürowüste über der ebenerdigen U3-Station Erdberg. Was nun, da der 102 Meter hohe Orbi Tower als letztes von 19 "Company Buildings" bald fertig wird, wie die immobilienwirtschaftliche Erfolgsgeschichte einer Public Private Partnership klingt, war in Wirklichkeit ein Fall für den städtischen Rechnungshof. Ab dem Jahr 2000 entwickelten die Wiener Stadtwerke als Grundeigentümer gemeinsam mit der Soravia Gruppe den künstlichen Standort auf einer Überplattung der U-Bahn - mit reichlich Architekturprominenz und gehörigem PR-Aufwand, aber wenig Sinn für finanzielle Transparenz und ebenso wenig Gespür für den Büromarkt. So lag das Bauvorhaben für 5000 Arbeitsplätze mangels Nachfrage jahrelang auf Eis - bis die Stadtregierung 2005 einsprang, um die politisch brisante Fehlinvestition des kommunalen Konzerns zu kaschieren - und zwar durch "Vermittlung" künftiger Mieter wie dem Wiener Krankenanstaltenverbund, der Landessanitätsdirektion und mehreren Magistratsdienststellen.

Stadt genehmigte höheres Bauen des DC-Towers, ohne Gegenleistung.
© Reinhard Seiß

Die erste der beiden "Landmarks" in TownTown, nämlich den architektonisch banalen Büroturm von Baumschlager & Eberle, erwarben die Stadtwerke 2010 als neues Headquarter für sich und ihre Tochter Wien Energie gleich selbst. Aber auch der gestalterisch ambitioniertere Orbi Tower vis-à-vis nach Plänen von Zechner & Zechner wird sich nicht ohne öffentliche Mieter füllen: Die Wiener Stadtwerke Holding, die zu ihr gehörende Wipark Garagen GmbH und noch andere kommunale Tochterbetriebe lassen knapp vor Fertigstellung zumindest auf eine 50-prozentige Auslastung ab 2017 hoffen.

Eine Landmarke von ganz anderem Kaliber, sprich, das höchste Gebäude Österreichs überragt seit Anfang 2014 die Donau City - was nicht heißt, dass seine Verwertung leichter fiel als die herkömmlicher Wiener Bürotürme. Der DC1 Tower von Stararchitekt Dominique Perrault sollte ursprünglich 200 Meter messen und den 160 Meter hohen DC2 als Gegenüber bekommen. Doch ließ die Finanz- und Immobilienkrise ab 2008 den Investor - die mehrheitlich der Bank Austria gehörende WED - bei der Stadtplanung anfragen, ob auch 220 und 175 Meter denkbar seien, um die gesunkenen Erwartungen an die Quadratmetermiete durch ein paar Geschoße mehr zu kompensieren: Kenner Wiens überraschte es nicht, dass die Stadt diesem Begehr flugs und ohne Gegenleistung des Begünstigten entsprach. Gebaut wurde in den nächsten drei Jahren trotzdem nichts - und danach nur der höhere DC1, während man die Realisierung seines kleineren Zwillings mangels Nachfrage auf unbestimmte Zeit verschob.

Obwohl die WED ihren Turm von Anfang an als großen Erfolg darstellte, ist das samt Antenne 250 Meter hohe Gebäude bis heute immer wieder in ganzseitigen Werbeeinschaltungen zu sehen. Branchenkenner munkelten noch zwei Jahre nach Fertigstellung, dass die 44.000 Quadratmeter Bürofläche zur Hälfte brachlägen. Während die gähnende Leere der Bauten im Marximum durch die transparenten Fensterflächen für jeden Passanten augenscheinlich war, entzieht sich der Umfang des Leerstands im dunklen DC Tower mit seinen getönten Gläsern jeglicher Fernerkundung. Vor wenigen Wochen verlautbarte die WED allerdings, man stehe unmittelbar vor der Vollauslastung - und suche nach einem Käufer für den Turm. Verkauft wurde im Frühjahr bereits der Baugrund für den DC2, und zwar an einen deutschen Immobilienfonds, der "in den nächsten Jahren" mit dem Bau beginnen möchte.

Unter dem Niveau osteuropäischer Städte

Der Werdegang der DC Tower offenbart, warum in Wien trotz eines gehörigen Überangebots und dementsprechend niedriger Mietpreise, die selbst in guten Lagen mit etwa 15 Euro pro Quadratmeter inklusive Betriebskosten unter dem Niveau mancher osteuropäischen Stadt liegen, immer noch Bürogroßprojekte auf den Markt kommen. Die Antwort ist vor allem an den internationalen Finanzmärkten zu finden, insbesondere bei den Pensionsfonds. Die teilweise Privatisierung und Kommerzialisierung der bis in die 90er Jahre öffentlichen Rentensysteme in halb Europa ließen binnen kurzem hoch dotierte Fonds entstehen, die ihre Gelder sicher und langfristig anlegen mussten und müssen - zumal sie in den ersten Jahrzehnten überwiegend Einnahmen verbuchen und noch kaum Pensionsauszahlungen anstehen.

Als sicher und langfristig gelten Investitionen in Immobilien, wobei Bürobauten höhere Mieten und geringere Probleme mit dem Mietrecht versprechen als Wohnbauten. Dass Büros im Unterschied zu Wohnungen oft leer stehen, scheint für die Finanzmanager von untergeordneter Bedeutung zu sein, werden die Folgen ihrer Investitionsentscheidungen doch erst langfristig schlagend - und dann in guter neoliberaler Tradition von den künftigen Pensionisten zu tragen sein. Ähnlich wie an der Börse geht es am Immobilienmarkt immer seltener um reale denn um fiktive Werte, die wie im Monopoly-Spiel hin- und hergeschoben werden. Viele Bürokomplexe haben ihre Eigentümer schon mehrmals gewechselt, ehe sie überhaupt zur Vermietung gelangen: Der erste Investor kauft ein Projekt noch am Papier, sobald die entsprechende Flächenwidmung für ein Grundstück erwirkt wurde. Während der Bauphase kommt es nicht selten bereits zum Weiterverkauf. Und sobald das Gebäude fertig ist, wiederholt sich das Ganze oft noch einmal. Selbst Ladenhüter am Wiener Büromarkt wie der Florido Tower finden trotz chronischen Leerstands Käufer. Und auch der nicht eben ausgelastete Millennium Tower am gegenüberliegenden Donauufer steht mittlerweile schon zum dritten Mal seit seiner Fertigstellung zum Verkauf.

So hat sich Wiens Büromarkt zu einer Spielwiese für Spekulanten entwickelt. Seit Jahren basieren Projekte nicht mehr auf dem konkreten Flächenbedarf von Unternehmen, sondern auf der Notwendigkeit von Banken, Versicherungen und Fonds, überschüssige Gelder zu veranlagen. Den Anfang machten deutsche Kapitalanlagegesellschaften, die um die Jahrtausendwende - als es in der Bundesrepublik kaum mehr interessante Investitionsobjekte gab - die Donaumetropole für sich entdeckten. Nach einer Analyse der Immobilienexperten von CB Richard Ellis stieg der Anteil deutscher Fonds an den gesamten Immobilieninvestitionen in Österreich allein von 2000 auf 2001 von 14 auf 33 Prozent an - und erreichte 2002 und 2003 mehr als 50 Prozent. In der Bundeshauptstadt war dieser Wert noch viel höher. Mittlerweile tummeln sich in Wien aber nicht mehr nur europäische Käufer, sondern genauso US-amerikanische, arabische und chinesische Interessenten. Dementsprechend ist für die nächsten Jahre mit einem Neubauvolumen von mindestens 250.000 Quadratmetern Bürofläche zu rechnen - per anno.

Die Kommunalpolitik scheint die Leerstandsproduktion nicht als Problem zu sehen: Die mediale Präsenz beim Spatenstich für weitere Wahrzeichen in der Stadtsilhouette ist bei Volksvertetern beliebt. Auch die lokale Bauwirtschaft profitiert von der Immobilienblase. Und nicht zuletzt werden gebaute Büroarbeitsplätze - ob genutzt oder ungenutzt - gern mit tatsächlich geschaffenen Jobs gleichgesetzt und als arbeitsmarktpolitischer Erfolg gefeiert. Freilich tragen auch vermietete Neubaubüros nicht zwangsläufig zum Jobwachstum bei, zumal sie in hohem Maß Mieter aus älteren Bauten abwerben. Den Marktforschern des Immobilien-Consulters Eres zu Folge sind in Wien seit Mitte der 90er Jahre als Konkurrenz zu den traditionellen Bürovierteln elf neue Business Cluster entstanden - und durch unzählige Einzelobjekte, oft an den unmöglichsten Standorten, ergänzt worden. Die Folge war und ist ein massives Brachfallen von älteren Büroobjekten, in deren Umfeld die Nahversorgung aus Handel, Dienstleistungen und Gastronomie unter der Abwanderung der Arbeitsbevölkerung leidet - und auf Kosten der umliegenden Wohnbevölkerung schwindet.

Kein Geld für Modernisierung

Je mehr neue Büroflächen auf den Markt drängen und je stärker folglich der Mietpreis verfällt, umso unwahrscheinlicher ist es, dass die Immobilienbranche Geld für die Modernisierung von Leerständen in die Hand nimmt. Dabei verfügen bestehende Bürobauten bereits über die gesamte städtische Infrastruktur, während neue Büroviertel erst auf Kosten der Allgemeinheit durch Straßen, Wasser und Kanalisation sowie durch öffentlichen Verkehr erschlossen werden müssen - oder wie am Wienerberg vom Auto abhängig bleiben. Ganze Quartiere wie der Office Park Euro Plaza bestehen heute ausschließlich aus Büros und Garagen: ein denkbar schlechter Städtebau, wenn man das planungs- und verkehrspolitische Ziel einer "Stadt der kurzen Wege" verfolgt.

Vom umwelt- und klimapolitischen Standpunkt her ist es mindestens so widersprüchlich, dass Wien bei Wohnbau- und Infrastrukturprojekten auf eine ökologische und ressourcenschonende Baustellenabwicklung drängt, im Gewerbebau indes nichts gegen die grassierende Einweg- oder Wegwerfmentalität unternimmt. Die "graue Energie", die in den leeren Bürogebäuden aus den 60er, 70er und 80er Jahren steckt, aber mangels Anreizen zur Sanierung ungenutzt verloren geht, kann durch noch so technoide Ökozertifikate der Immobilienbranche für Büroneubauten nie und nimmer wettgemacht werden. Das wohl stärkste Argument dafür, dem spekulativen Bauboom politisch Einhalt zu gebieten, ist in Zeiten starken Bevölkerungswachstums aber die Verschwendung von knappem Grund und Boden für halbleere Bürohäuser - also von wertvollem Bauland, das ebenso gut für dringend benötigte Wohnhäuser genutzt werden könnte.

Bis in die 90er Jahren sah die Stadt selbst bei zentral gelegenen Bauprojekten wie Wien Mitte auch Wohnungen vor. Wenig später hat man dort den immobilienwirtschaftlichen Begehrlichkeiten entsprechend nur noch Büros geplant, deren Volumen so lange maximiert und verdichtet wurde, bis am Ende eine am freien Markt unvermietbare Ballung dunkler Büroflächen herauskam: mit dem zutiefst wienerischen Ende, dass die öffentliche Hand ein knappes Dutzend Amtshäuser aufgab und die Beamten nach Wien Mitte übersiedelte - um fortan Miete an den privaten Investor zu zahlen.

Für das Nordbahnhofgelände wiederum sah die Stadtplanung eine kleinstrukturierte Durchmischung von Wohnen, Arbeiten und anderen Funktionen in der Struktur gründerzeitlicher Baublöcke vor. Als die Bank Austria aber mit dem Wunsch nach einem neuen Headquarter an diesem Standort vorstellig wurde, billigte das Rathaus dem einst städtischen Geldinstitut ein eigenes Viertel mit 200.000 Quadratmetern Bürofläche zu. Ein, zwei Rationalisierungsmaßnahmen später brauchte die Bank Austria aber nur noch halb so viel Fläche - und verkaufte das Projekt an einen privaten Immobilieninvestor, um sich darin ab 2018 auf rund 100.000 Quadratmetern einzumieten. Inwieweit auch die verbleibenden 100.000 Quadratmeter Abnehmer finden, muss sich erst zeigen - zumal es am Nordbahnhof bereits ausreichend Büroleerstand gibt.

Dass die meisten Zeitungen der Stadt an solchen Vorgängen wenig zu beanstanden haben, mag auch daran liegen, dass die Immobilieninserate und -sonderbeilagen zu ihren wichtigsten Geldquellen zählen. Somit fehlt der Druck auf die Politik, den sich offensichtlich nicht selbst regulierenden Immobilienmarkt endlich zu steuern - wofür es mannigfache Instrumente gäbe, die nicht gleich im Verdacht des Wirtschaftsdirigismus stünden. So könnte der Gesetzgeber den Investitionsbedarf der Finanzwirtschaft stärker auf den sozialen Wohnbau lenken - oder die Planungsbehörde für die Genehmigung von Bürogroßprojekten seriöse Wirtschaftlichkeitskonzepte oder ein Mindestmaß an Vorvermietung verlangen. Denn darauf zu hoffen, dass ungenutzte Bürobauten irgendwann zu Hotels oder Apartmenthäusern umgebaut werden, wie dies am Landstraßer und Margaretengürtel geschah und beim Philips-Haus bevorsteht, ist doch zu wenig an politischem Gestaltungswillen.

Reinhard Seiß ist Stadtplaner, Filmemacher und Fachpublizist in Wien und Mitglied der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung.