Michael Häupl hielt seine letzte Rede als Bürgermeister im Wiener Gemeinderat.
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Wien. "Sehr geehrter Herr Vorsitzender, das Vorspiel kann beginnen", sagte Michael Häupl zu Beginn seiner 45 Minuten dauernden Rede am Donnerstag im Wiener Gemeinderat. Es war seine letzte als Bürgermeister - "nach unvorstellbaren 35 Jahren im Stadtsenat", wie Häupl betonte. Und nach fast 24 Jahren als Stadtchef. Es mache ihn schon nachdenklich, wenn er sich daran zurückerinnere, vor so langer Zeit im Gemeinderat vereidigt worden und in der letzten Reihe gesessen zu sein, gab Häupl zu.
Eine ausführliche Bilanz über seine Amtszeit wollte er dem Podium zuerst ersparen und so beschränkte er sich auf ihm wichtig erscheinende Themen - darunter Migration, Bildung, Gesundheit, Digitalisierung - sowie auf mahnende Worte, mit denen er einen respektvolleren Umgang in der politischen Debatte einforderte.
Er kenne nämlich keine andere Berufsgruppe, die so miteinander umgehen würde, wie Politiker. "Auch ich war nie ein Kind von Traurigkeit, auch nicht verbal. Wenn ich in all dieser Zeit jemanden gekränkt oder beleidigt habe, dann entschuldige ich mich
jetzt dafür", sagte Häupl. Denn Respekt und Rücksichtnahme
sollten ebenso Grundlage der demokratischen Diskussion sein, wie im politischen Umgang miteinander.
Dasselbe würde auch für den Umgang mit der Demokratie in ganz Europa gelten. Sie sei ein zerbrechliches Gut. Das "Friedensprojekt" Europäische Union sei es wert, hart dafür zu arbeiten, "denn die Alternative wollen wir mit Sicherheit nicht", betonte Häupl. Er erinnerte an den Fall des Eisernen Vorhangs und Österreichs Beitritt zur EU am Beginn seiner Amtszeit.
Stolz betonte er dann später doch, dass mittlerweile 62 Prozent der Wiener Bevölkerung im geförderten Wohnbau leben - "so viel wie sonst nirgendwo auf der Welt". Und er legte nach: 1994 seien nur 20 Prozent aller Verkehrswege mit den Öffis zurückgelegt worden, heute seien es 50 Prozent. "In Wien gibt es mehr Jahreskarten als zugelassene Autos", betonte schließlich das scheidende Stadtoberhaupt.
Wesentlichster Faktor für die Lebensqualität in der Stadt sei aber die Lösung der sozialen Frage, wie Häupl erklärte. Die Stadt habe in der Flüchtlingskrise richtig reagiert "und Menschen geholfen, die an Leib und Leben gefährdet waren, wir haben ihnen Kleidung, Nahrung und Schlafplätze geboten". Wien sei das einzige Bundesland, das keine Außengrenze hat, sagte Häupl in Richtung FPÖ. "Wie daher Rot-Grün verantwortlich sein soll für den Zuzug, erschließt sich mir nicht ganz", meinte er. Im Balkankrieg in den 1990er Jahren habe man jedenfalls noch einhellig und ohne Polemik geholfen.
Auch das "Herausinvestieren aus der Krise" sei richtig gewesen, wie Häupl unterstrich. Auch wenn die Opposition das anders sehe - die heutige Situation würde beweisen, dass Wien richtig gehandelt habe. "Die Wirtschaft wächst und die Arbeitslosenzahlen sind rückläufig", so Häupl.
Was das Gesundheitswesen betrifft, so sei es in Wien schon Tradition, es krankzureden. Zum Thema Krankenhaus Nord meinte er, dass es sehr wohl Probleme, "etwa bei Bauvorhaben" gebe. Auf der anderen Seite dürfe man aber nicht vergessen, dass Wien eines der besten Gesundheitssysteme in Europa habe. Als "heikel" bezeichnete Häupl das Thema Bildung. Hier sei noch viel Luft nach oben. Als Uni-Standort habe sich Wien zwar zur größten deutschsprachigen Universitätsstadt der Welt entwickelt, dem gegenwärtigen Ärztemangel könne man aber nur mit ausreichenden Studienplätzen begegnen. "Da müssen wir uns schleunigst was überlegen", sagte er in Richtung Bund.
Wie auch schon Michael Ludwig, nannte auch Häupl als "größte Herausforderung dieses Jahrtausends" das Thema Digitalisierung. Hier gelte es, den digitalen Analphabetismus zu bekämpfen, damit Menschen im Bildungs- und Berufsweg nicht zurückgelassen werden.
Am Ende seiner Rede bedankte sich Häupl bei den Mitarbeitern der Stadt Wien: "Sie sind großartig." Nachsatz: "Wenn sie wollen." Häupl bedankte sich auch bei seinen Parteifreunden, beim grünen Koalitionspartner - und auch bei der Opposition. Von dieser würde er sich aber ein bisschen mehr Zusammenarbeit wünschen. Oder um es mit Häupls Worten konkret auszudrücken: "Man sollte es mit dem Monopol aufs Gscheitsein net übertreiben." Zum Schluss verlas Häupl das "Gebet eines Seniors" von Theresia von Avila, das mit dem Satz endet: "Erhalte mich so liebenswert wie möglich. Ich weiß, dass ich nicht unbedingt ein Heiliger bin, aber ein alter Griesgram ist das Krönungswerk des Teufels." Dann sagte er: "Auf Wiedersehen."
Nur FPÖ blieb sitzen
Danach gab es minutenlange Standing Ovations von fast allen Fraktionen - auch in der Besuchergalerie, wo sich unter anderem EU-Kommissar Johannes Hahn, die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl und Gesundheitslandesrat Norbert Darabos befanden, sowie auch zahlreiche Politiker außer Dienst - wie etwa Erwin Pröll oder Rudolf Edlinger. Nur in den Reihen der FPÖ blieben die Mandatare regungslos sitzen. Mit Ausnahme von Ex-ÖVP-Gemeinderat Wolfgang Aigner.