Wie häufig haben Kritiker ihn schon abgeschrieben? Ideenlos und erstarrt sei der Papst, alt und krank ohnehin seit langem. Vom Rollstuhl ist die Rede, mitunter gar von Rücktritt. Am Samstag wird Johannes Paul II. 82 Jahre alt. Ganz sicher: Es geht im schlecht, gehen kann er kaum noch, selbst das Sprechen fällt ihm schwer - doch aufgeben will er nicht.
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Selbst an seinem Ehrentag wird der alte Mann nicht innehalten. Päpste feiern keinen Geburtstag. Und so wird der polnische Papst übermorgen wie an jedem Tag um sieben Uhr seine Morgenmesse halten, später wird er einige Audienzen gewähren, Gespräche führen, Akten studieren - zum Mittagessen in seinen Privatgemächern dürften es einige Gäste mehr sein als ansonsten üblich. Aber große Feiern wird es nicht geben.
23 Jahre ist er im Amt, im Herbst werden es 24. Die Last des Alters, der gesundheitliche Zerfall sind keine Tabuthemen mehr. "Es lässt sich nicht leugnen. Die Jahre fliegen dahin", sagte das Kirchenoberhaupt unlängst einmal. Längst hat er aufgehört, über seine eigene Gesundheit Scherze zu machen - dazu ist die Lage viel zu ernst. Wie ernst, das wurde den Gläubigen in aller Welt erst vor ein paar Wochen klar, als er sich durch die Osterfeiern schleppte. Erstmals musste er auf mehrere Zeremonien verzichten.
Immer wieder kursieren Gerüchte, der Papst habe ein Rücktrittsschreiben hinterlegt - für den Fall seines geistigen Verfalls. Nachprüfbar sind solche Berichte nicht. Angeblich gibt es sogar Kardinäle, die ihn zum Rücktritt drängen wollen. Auch dafür gibt es keine Bestätigung. Dagegen berichtete der chilenische Kardinal Jorge Arturo Medina, was der Papst selbst zum Thema Rücktritt zu sagen hat: "Auch Jesus ist nicht vom Kreuz gestiegen." "Er ist ein Mann, der sich niemals Druck von außen beugt", beschreibt ihn ein Theologe, der Zugang zum Papst hat. Das ist eine gelinde Untertreibung: In Wirklichkeit spornen Karol Wojtyla Hindernisse und Schwierigkeiten geradezu an. Nur so sind seine Reisepläne zu erklären, die er trotz aller ärztlichen Ratschläge zur Schonung weiterhin schmiedet: Ende Mai geht es nach Aserbaidschan und Bulgarien, im Juli steht eine Marathontour nach Kanada, Mexiko und Guatemala an, kaum einen Monat später in die polnische Heimat. Nur für seinen letzten Herzenswunsch, die Aussöhnung mit der orthodoxen Kirche, wird die Zeit vermutlich nicht mehr reichen.