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Die Ideologie des puren Marktes ist out. Jetzt geht es darum, ein neues Ordnungssystem zu finden, nicht aber parteipolitische Rechnungen aufzumachen.
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Der von der SPÖ und Bundeskanzler Werner Faymann erhobene Ruf nach Spekulationsverbot für den Staat würde auf eine Anlassgesetzgebung aus parteipolitischen Gründen hinauslaufen. Vergangenes würde repariert, ohne dass die sagenhaften 360 Millionen Euro Spekulationsverlust wettzumachen wären.
IHS-Chef Bernhard Felderer hat bereits angedeutet, dass ein striktes Spekulationsverbot die Steuerzahler teuer kommen würde. Öffentliche Gelder müssen gewiss sorgfältig angelegt, aber nicht verlustbringend unter den Kopfpolster der Republik geschoben werden.
Jetzt meldete sich ein als sehr bedächtig bekannter Banker zu Wort, der für seine seit Jahren vorgetragene Kritik an Basel-II-Zwängen und die strukturelle Unberechenbarkeit der Hedgefonds-Wärter bekannt ist - was ihn freilich auch nicht davor bewahrte, von der Warte seiner Investkreditbank dem Untergang der Kommunalkredit zusehen zu müssen, in der er in den Vorkrisenjahren im Vorstand vertreten war: Wildfried Stadler.
Er nahm die "3. Carinthischen Dialoge" auf Schloss Bach in St. Urban in Kärnten zum Anlass, das Thema "Freiheit ohne Grenzen - grenzenlose Freiheit?" auf die internationale Finanzkrise anzuwenden. Dass sich der Generaldirektor aus dem Vorstand der Investkredit und ÖVAG zurückgezogen hat, scheint zudem seinen verbalen Freiraum vergrößert zu haben.
Die "Autonomisierung der Ökonomie bis hin zu ihrer vollständigen Entpolitisierung" habe zur Ökonomisierung der Politik geführt, schon bald nach 1989, sagte er. In der Mehrheit der vom kommunistischen Joch befreiten Reformstaaten habe sich die puristische Doktrin des "reinen Marktes ohne Vorzeichen" mit Orientierung am US-amerikanischen Vorbild durchgesetzt. Die etablierten Marktwirtschaften Westeuropas, die es besser hätten wissen müssen, folgten dem Trend unter dem Stichwort "Aufbruch".
"Der tautologische Lieblingssatz aller Kapitalmarkt-Gläubigen - ,Der Markt hat immer Recht - kann aber auf Dauer politische Programme nicht ersetzen", sagt Stadler heute. Statt Freiheit komme dabei Knechtschaft in einem deterministischen Gesellschaftsprogramm heraus.
Er verlangt dringend eine Reform der Finanzmarktordnung einschließlich eines europäischen Rating-Systems - wofür die Aussichten allerdings nicht gerade günstig stehen. "Darüber dürfen uns auch jene nicht hinwegtäuschen, die schon wieder zu den Spieltischen rufen und so tun, als sei alles nur ein Betriebsunfall gewesen. Der Staat - besser: die res publica auf allen politischen Handlungsebenen - spielt bei diesem komplexen Stufenbau einer neuen Wirtschaftsordnung eine entscheidende Rolle, die weit über die undankbare Funktion einer bloßen Reparaturanstalt für die Fehler einer entgleisten Finanzwirtschaft hinausgeht." Wertschöpfung habe vor Geldschöpfung zu gehen.
Die Politik muss sich der Wirtschaft annehmen und dabei auch verhindern, dass die Finanzwirtschaft für sich eine Freiheit ohne Grenzen in Anspruch nimmt, die auf Kosten aller und übrigens auch des Systems geht. Der Staat hat also durchaus eine vornehme, verantwortungsvolle und sehr schwierige Aufgabe. Aber sicher nicht die, eine kleinliche parteipolitische Abrechnungen bereits als die große Meisterleistung auszugeben, auf die die Menschen weltweit warten. Nämlich darauf, "die ordnungspolitische Verwahrlosung des Finanzsystems in den letzten zwei Jahrzehnten" (Stadler) durch ein zukunftsträchtiges System zu ersetzen.