Nun haben wir sie also, die große Koalition NEU. Wobei groß in diesem Fall ein Euphemismus ist. Nicht einmal die für Verfassungsgesetze notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit bringt man mehr auf die Waagschale. Was soll also aus dieser Regierungskoalition werden?
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Die ersten Kommentatoren gingen streng mit SPÖ und ÖVP ins Gericht. Unambitioniert sei das Regierungsprogramm, man habe nur den kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden, keine Details, nur Absichtserklärungen fände man im Koalitionsübereinkommen. Und das stimmt zum Teil auch. Aber ist ein Koalitionsvertrag auf Punkt und Beistrich notwendig beziehungsweise möglich? Müsste es uns nicht skeptisch machen, wenn man binnen 56 Tagen alle Zukunftskonzepte auf dem Tisch hat?
Werner Faymann und Josef Pröll wollen neu regieren. Man will höflich und auf Augenhöhe miteinander umgehen. Das ist schön und wichtig, da eine erfolgreiche Regierung ein kommunikatives Fundament benötigt. Es ist aber nicht mehr als die Einhaltung mitteleuropäischer Höflichkeitsstandards.
Eine runderneuerte Regierung wird aber hauptsächlich an den Inhalten gemessen werden. Faymann und Pröll stellen die Bekämpfung der Wirtschaftskrise an die Spitze ihres Programms. Die beiden Regierungspartner haben ein Konjunkturpaket geschnürt, um die Wirtschaft anzukurbeln, ein zweites soll noch folgen. Es kommt eine Steuerreform, die Entlastungen für die Menschen bringen und die Kaufkraft zumindest erhalten soll. Zudem werden Familien mit Kindern entlastet. Diese ersten Schritte wurden schnell gesetzt, wären aber in der derzeitigen Situation auch von jeder anderen Regierung gekommen.
Was aber kommt danach? Was passiert in der Gesundheitspolitik? Bekommen die Krankenkassen einfach nur mehr Geld oder wird es doch substanzielle Reformen geben? Wie geht es in der Bildungspolitik weiter? Wagt man den Sprung, die Leistungen der Lehrer zu evaluieren und daraus auch Konsequenzen zu ziehen? Kommt eine sinnvolle Verwaltungsreform oder bleibt es dabei, dass es Einsparungsmöglichkeiten gäbe, die nicht genützt werden?
Man habe sich in den Koalitionsverhandlungen nicht überfordert, sagt der kommende Bundeskanzler. Und man möchte nicht Vorhaben ins Koalitionspapier hineinschreiben, die dann nicht eingehalten werden können. Das klingt für reformwillige Wähler nicht sehr anregend.
Andererseits ist es auch wieder typisch österreichisch, von vornherein gleich alles zu schlecht zu reden. In Wirklichkeit kennt man
die beiden Jung-Parteichefs noch zu wenig, um sie in ihrer neuen Rolle einschätzen zu können. Die große Herausforderung wird sein, die strukturbeharrenden Kräfte wie Gewerkschaft, Kammern oder Landesgruppen von den notwendigen Reformen zu überzeugen.
Geben wir der Regierung also eine Chance und lassen uns überraschen. Aufregen können wir uns später noch immer.
Peter Hajek ist Politologe und Meinungsforscher in Wien (www.peterhajek.com).