Was die neue Krisenkoordination können soll, welche Fallstricke es gibt und welche Rolle das Militär spielt.
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Am Mittwoch werden die Bundesländer Bekanntschaft mit Gecko machen. Die Bundesregierung wird sich vor Weihnachten noch einmal mit den Landeshauptleuten zu aktuellen Herausforderungen des Coronavirus beraten, an der Sitzung werden auch erstmals die beiden Leiter der gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination, kurz Gecko, teilnehmen.
Katharina Reich war bei diesen Treffen schon dabei, sie ist auch Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit und zudem Vorsitzende der Corona-Ampelkommission. Generalmajor Rudolf Striedinger, Stabschef des Verteidigungsministeriums, ist der zweite Gecko-Leiter. Er war vonseiten des Bundesheeres bereits in die Organisation der Massentests im Dezember des Vorjahres involviert. Tags davor, am Dienstag, ist die erste Sitzung des neuen Gremiums mit allen Experten geplant.
Mit Gecko habe die Bundesregierung eine Art Zwitter geschaffen, argumentiert der Verwaltungsrechtler Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck. Zwar hat auch die deutsche Bundesregierung einen ähnlich großen Expertenrat eingerichtet, dem 19 Wissenschafterinnen und Wissenschafter sowie auch Kliniker angehören. Es ist aber ausschließlich ein beratendes Gremium, das am Sonntag bereits seine erste Stellungnahme veröffentlicht hat. Sie beschäftigt sich vorrangig mit den möglichen Auswirkungen der Omikron-Variante.
Sehr breites Gremium
In Österreich ist mit Reich aber auch eine hohe Verwaltungsbedienstete des Gesundheitsministeriums Mitglied von Gecko und sogar in leitender Funktion. "Sie ist nicht einfach nur Expertin", sagt Bußjäger. Gemeint ist damit: Reich ist nicht unabhängige Wissenschafterin, die etwa nur virologische oder epidemiologische Expertise einbringt, sondern eben Ministeriumsangestellte.
Ebenfalls Teil von Gecko sind Vertreter der Sozialpartner, der Sozialversicherungen sowie der Landesamtsdirektor des Vorsitzlandes der Landeshauptleutekonferenz. Anders als in Deutschland, wo der Expertenrat zwar ebenfalls interdisziplinär zusammengestellt wurde, aber nur den medizinischen Bereich abdeckt, sind bei Gecko auch Juristen dabei.
Die Breite des Gremiums mag angesichts der umfassenden Auswirkungen der Pandemie auf viele Lebensbereiche nachvollziehbar sein, in der Praxis könnte sich das aber rein operativ als schwierig erweisen, vermutet Bußjäger. "Wenn bei 20 Teilnehmern jeder auch nur fünf Minuten spricht, dauert die Sitzung schon zwei Stunden", sagt er. Auch beim Fachbeirat, der mit Pandemiebeginn im Gesundheitsministerium eingerichtet wurde, verhinderte die Größe der Runde mitunter intensivere Diskussionen.
Wie das Bundeskanzleramt, in dem Gecko als Stabstelle eingerichtet ist, bestätigt, bleiben andere Gremien erhalten, wobei es Mehrfach-Mitglieder gibt. So ist Reich eben auch Teil der Corona-Kommission, Niki Popper sitzt auch im Prognose-Konsortium, Thomas Starlinger im Future Operations Board, das ebenfalls im Bundeskanzleramt angesiedelt ist. Hinsichtlich des Informationsflusses ist diese Verzahnung zweifellos ein Vorteil, sie kann aber kommunikativ zum Nachteil werden, wenn zum Beispiel die Corona-Kommission des Gesundheitsministeriums zu anderen Schlüssen kommt als Gecko im Bundeskanzleramt.
Das Militär als Übersetzer für die Politik
Neu ist jedenfalls, dass nun auch das Bundesheer mit seiner Kompetenz im Management von Unsicherheiten involviert wird. Das Militär verfügt über standardisierte Führungsverfahren, die ein Missing Link zwischen Wissenschaft und Politik sein könnten. Der Herbst hatte offenbart, dass die politisch Verantwortlichen die Szenarien der Forscher nicht richtig gedeutet haben. Diese spezifischen militärischen Verfahren zur Lagebeurteilung und strategischen Ausrichtung sollen, vereinfacht gesagt, die wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Politik übersetzen.
Dann stellt sich noch die Frage, wie sich die dritte von der Regierung genannte Aufgabe von Gecko in der Praxis offenbart. Neben Berichterstattung und Beratung sollen nämlich auch "konkrete Vorschläge" gemacht werden, wie Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Samstag ankündigte. Entscheidungsbefugnis hat Gecko nicht, und es gibt der Bundesregierung auch formal nicht mehr Kompetenzen als bisher. Aber vielleicht realpolitisch?
Es ist unstrittig, dass die Umsetzung einiger Maßnahmen in einigen Bundesländern nicht ausreichend funktioniert hat. Zum Beispiel waren diese bei der flächendeckenden Ausrollung von PCR-Tests säumig. Im Vorjahr hatten etliche Bundesländer das Contact Tracing nicht entsprechend ausgebaut. Man wolle die Länder "unterstützen", sagte Nehammer. Das könnte man auch so verstehen: Wer in der Umsetzung säumig ist, bekommt Besuch von Gecko-Gesandten.