"Der Elfer kommt wieder!" · Den Schreckensruf mancher Steuerexperten verstehen nur Leute mit guter Erinnerung. § 11 des alten Einkommensteuergesetzes betraf eine temporäre Steuerbegünstigung für | den sogenannten nichtentnommenen Gewinn, also für jenen Anteil am Jahresgewinn eines Betriebes, der über die Privatentnahmen hinaus in der Firma verblieb. Der gutgemeinte Steuervorteil verhedderte | sich jedoch in zahllosen fiskalischen Streitfällen, weshalb man ihn 1989 abschaffte. Jetzt versucht das Steuerreformgesetz einen neuen Anlauf zur Eigenkapitalstärkung der Betriebe. Möglicherweise mit | dem gleichen Schicksal.
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Der ab dem Jahr 2000 vorgesehene neue § 11 EStG versucht eine Förderung der betrieblichen Kapitalstruktur durch die Möglichkeit, Zinsen vom jährlichen Eigenkapitalzuwachs als steuerabsetzbare
Betriebsausgaben zuzulassen. Das läuft praktisch auf eine Begünstigung der nichtentnommenen Gewinne und der sonstigen Eigenmittelzuführungen hinaus, wobei man auf eine mehrjährige
Kapitalvergleichsrechnung abstellt.
Gleichzeitig soll damit erreicht werden, daß das im Betrieb eingesetzte Eigenkapital dem Fremdkapital (dessen Kosten gleichfalls steuerabsetzbar sind) gleichgestellt wird. Mit dem Unterschied
freilich, daß die Eigenkapitalverzinsung ja bloß eine Fiktion darstellt.
Kleinstbetriebe
ohne Förderung
Begünstigt durch die neue Förderungsmaßnahme sind nicht nur (wie nach dem alten § 11) natürliche Personen aus dem Kreis der Agrarier und Gewerbetreibenden, sondern generell alle Einzelunternehmer
und Personengesellschafter, sogar Kapitalgesellschaften und Genossenschaften. Voraussetzung dabei ist, daß diese Betriebe bilanzieren; anders wäre eine Erfassung des Kapitalkontos und dessen
Veränderungen kaum möglich.
Damit sind freilich gerade die zahllosen Kleinbetriebe mit ihren Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen, deren magere Eigenkapitalverhältnisse vielfach besonders förderungswürdig wären, vom neuen
Steuervorteil ausgeschlossen.
Mittelwert aus
sieben Jahren
Die als Betriebsausgaben zulässigen fiktiven Eigenkapitalzinsen sind vom Eigenkapitalzuwachs abzuleiten, womit nicht der simple Überschuß des Jahresschlußkapitals gegenüber dem Anfangsstand
gemeint ist. Vielmehr muß ein Durchschnittskapital ermittelt werden, das aus den letzten sieben (mageren oder fetten) Jahren abzuleiten ist. Intensive Computerunterstützung ist angesagt.
"Der zu verzinsende Eigenkapitalzuwachs ergibt sich aus jenem Betrag, um den der gewichtete durchschnittliche Eigenkapitalstand des laufenden Jahres den höchsten gewichteten durchschnittlichen
Eigenkapitalstand eines vorangegangenen Jahres übersteigt", belehrt uns das Steuerreformgesetz.
Tageweiser
Kontokorrent
Und weiter: "Dabei ist der höchste gewichtete durchschnittliche Eigenkapitalstand innerhalb des Beobachtungszeitraums maßgeblich. Dieser Beobachtungszeitraum umfaßt den Zeitraum ab Beginn des
Betriebes, längstens jedoch den Zeitraum der letzten sieben Wirtschaftsjahre vor jenem Jahr, in dem der Betriebsausgabenabzug geltend gemacht wird".
Noch weiter: "Der gewichtete durchschnittliche Eigenkapitalstand eines Wirtschaftsjahres ist die Summe der an jedem Kalendertag bestehenden Eigenkapitalstände, geteilt durch die Zahl der Kalendertage
des Wirtschaftsjahres".
Schließlich: "Als Eigenkapitalstand am Beginn des Wirtschaftsjahres gilt das steuerlich maßgebende Eigenkapital des Einzelunternehmers oder Mitunternehmers am Ende des Vorjahres (ohne Jahresgewinn-
oder -verlust) laut dem Eigenkapital-Evidenzkonto.
Evidenzkonto
als Nachweis
Starker Tobak für die erwartungsfrohen Unternehmer auf ihrer Suche nach steuerlicher Eigenkapitalstärkung, weshalb im Beipacktext zum Gesetzentwurf bereits beruhigende Beispielrechnungen geboten
werden, die noch durch viele künftige Erlässe vertieft werden dürften. Wobei vor allem der umstrittene Begriff "Eigenkapital" geklärt werden muß.
Erste Voraussetzung ist also die Führung eines (neu einzurichtenden) Evidenzkontos, das bei Betriebseröffnung jedenfalls mit Null beginnt, bei einem bestehenden Betrieb für sieben Jahre
zurückentwickelt werden muß. Wer etwa im Jahr 2000 die neue Zinsenwohltat in Anspruch nehmen will, muß zunächst den höchsten Durchschnittsstand der Jahreskapitalkonten in den Jahren bis 1993 zurück
aufrollen. Dieser Durchschnittsstand ist für jeden einzelnen Tag jeden einzelnen Jahres zu ermitteln, also nach Art eines täglichen Kontokorrents aufzuschlüsseln.
Ungeklärter
Zinssatz
Sobald man sich durch die Mühen dieser Legistik durchgearbeitet und die zutreffende Rechnungsgröße ermittelt hat, interessiert die Frage nach dem zulässigen Zinssatz. Der ist im Gesetz nicht
genannt und soll erst durch künftige Verordnungen festgelegt werden. Er soll sich an der Primerate der Banken orientieren. Wie zu hören ist, könnte man sich dabei an die Konditionen der Bausparkassen
annähern, was für das Jahr 2000 voraussichtlich 4,5% p.a. ergeben würde.
Die · außerbilanzmäßig · steuerabsetzbaren fiktiven Eigenkapitalzinsen sind freilich kein großmütiges Geschenk des Gesetzgebers. Ebenso wie ein Fremdkapitalgeber die ihm bezahlten Zinsen versteuern
muß, soll dies auch beim § 11-Nutzer so sein; er muß seine soeben als Absetzposten verrechneten Fiktivzinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen versteuern.
Steuerpflichtige
Absetzposten
Das erinnert an den Zirkustrick "aus der linken Tasche in die rechte Tasche", und es ist wohl auch einer, denn nur Betriebe mit sehr guter Gewinnlage können von dem neuen System wirklich ein
bißchen profitieren. Der Steuervorteil des neuen "Elfers" liegt nämlich einzig und allein im Progressionsunterschied. Die absetzbaren Zinsen unterliegen der Kapitalertragsteuerpflicht und werden mit
25% endbesteuert, wohingegen sie als Steuerabsetzposten eine höherprozentige Steuerersparnis ermöglichen, soferne der betriebliche Jahresgewinn in eine höhere Steuerschicht reicht. Nur für
Kapitalgesellschaften könnte es ein sicherer Vorteil sein, weil deren Normalsteuersatz 34% beträgt.
Skeptische
Steuerberater
Der Schreckensruf der Steuerexperten ist damit nicht nur vorschnelle Kritik an der vorgesehenen Neuregelung. Man befürchtet vielmehr ähnliche bürokratische und fiskalische Schwierigkeiten, wie sie
zur Abschaffung des alten "Elfers" geführt hatten.
Der Vizepräsident der Treuhänderkammer, Alfred Brogyanyi, bringt die Kritik auf den Punkt, wenn er von einem "komplizierten Steuersystem" schreibt, "das wieder einmal von der Wirtschaft zu zahlen
sein wird". In seiner Fachzeitschrift sieht er für sich und seine Steuerberaterkollegen indes eine arbeitsreiche Zukunft: "So spielt die aktuelle Steuerreform direkt in die Hände des
Wirtschaftstreuhänders."