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Die imaginäre Verschrottung von Belastendem zeigt keine Wirkung.
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Berlin. Wie wird man Gedanken wieder los, die man als unangenehm oder belastend empfindet? Ganz einfach - man muss sie genau wie unnütze Dinge behandeln, das heißt sie aussortieren und schleunigst verschrotten. Zu dieser Erkenntnis sind kürzlich der amerikanische Psychologe Richard Petty (Ohio State University) und seine spanischen Kollegen Pablo Briñol, Margarita Gascó und Javier Horcajo (alle von der Universidad Autónoma de Madrid) gelangt. Sie berichten darüber in der neusten Ausgabe des "Psychological Science".
Die Psychologen haben zunächst ein Experiment mit 83 spanischen Schülern der Oberstufe durchgeführt. Die Versuchspersonen wurden gebeten, ihr - positives oder negatives - Verhältnis zu ihren eigenen Körpern zu beschreiben. Danach sollten sie das, was sie in schriftlicher Form artikuliert hatten, noch einmal überdenken. Doch während die eine Hälfte der Versuchspersonen aufgefordert wurde, das Blatt Papier sofort wegzuwerfen, erhielten die anderen die Anweisung, ihre schriftlichen Aussagen auf grammatikalische und orthografische Fehler zu überprüfen und den Zettel sorgfältig aufzubewahren. Am Ende sollten sämtliche Probanden ihren Körper auf drei 9-Punkte-Skalen bewerten.
Das Experiment ergab einen eindeutigen Befund. Für jene Testpersonen, die ihren Text auf Fehler durchsehen und ihn aufheben sollten, spielte es eine entscheidende Rolle, ob sie ihren Körper positiv oder negativ bewertet hatten. Jene, die ihn positiv beurteilt hatten, hatten danach ihm gegenüber eine positivere Einstellung als diejenigen, die ein negatives Urteil gefällt hatten. Für diejenigen hingegen, die wegwerfen durften, was sie geschrieben hatten, war die Sache damit erledigt, und es spielte offenbar überhaupt keine Rolle, wie sie ihren Körper vorher bewertet hatten. "Klar", sagt Petty, "selbst wenn man die Gedanken in den Mülleimer wirft (...), sind sie nicht für immer verschwunden - man kann sie ja jederzeit wiederherstellen. Aber die Repräsentationen dieser Gedanken sind zumindest eine Zeit lang weg, und es scheint viel einfacher zu sein, sich nicht mehr mit diesen Gedanken beschäftigen zu müssen."
Anschließend führten die Forscher ein weiteres Experiment durch. Dieses Mal sollten 284 Schüler sich schriftlich dazu äußern, was sie von der mediterranen Diät halten würden - also von einer Küche, die reichlich Gemüse, Hülsenfrüchte, Getreide und Olivenöl verwendet und einen sehr hohen Gehalt an Kohlenhydraten und einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren hat. Die Versuchspersonen wurden auch gebeten anzugeben, in welchem Maße sie bereit wären, die Diätvorschriften zu befolgen.
Danach wurde ein Teil von ihnen aufgefordert, den Zettel mit ihren Angaben sofort zu vernichten, wohingegen die übrigen die Anweisung erhielten, ihn auf ihren Schreibtisch zu legen oder ihn in ihrer Jackentasche oder Brieftasche aufzubewahren.
Dieses Experiment führte zu einem ähnlichen Ergebnis. Wenn es um die Bewertung der mediterranen Diät ging, erwiesen sich jene Probanden, die das Blatt Papier auf ihrem Schreibtisch deponiert hatten, als erheblich stärker von ihrer eigenen Niederschrift beeinflusst als diejenigen, die sie weggeworfen hatten. Noch stärker waren diejenigen der Wirkung ihrer eigenen Niederschriften ausgesetzt, die sie ständig mit sich herumtrugen.
Virtuelles Vernichten
Danach veränderten die Psychologen die Versuchsanordnung und ließen ihre Probanden auf dem Computerbildschirm die schriftlichen Bewertungen entweder in den Papierkorb befördern oder sie als Textdatei speichern. Hierbei zeigte sich, dass es ohne Weiteres möglich ist, Gedanken auch virtuell wegzuwerfen.
Zum Schluss erhielten dieselben Versuchsteilnehmer die Aufgabe, alles, was sie eben getan hatten, noch einmal zu tun - doch dieses Mal nur in der Vorstellung. Hierbei kam zutage, dass die bloß imaginäre Verschrottung von Gedanken nicht das Geringste bewirkt. "Je mehr jemand davon überzeugt ist, dass die Gedanken wirklich verschwunden sind, desto besser läuft es", erklärt Petty. "Sich bloß vorzustellen, dass man sie wegwirft, scheint überhaupt nicht zu funktionieren."