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Gedenken an das serbische Jerusalem

Von Ida Labudovic

Politik

Der 28. Juni ist für die Serben kein gewöhnlicher Tag. | Wien. Vesna Jovanoviæ ist Religionslehrerin. Sie stammt aus Poarevac, einer Stadt in Zentral-Serbien, und lebt seit 17 Jahren in Wien. Wird sie zu "Vidovdan" befragt, laufen ihr die Tränen über das Gesicht. "Kosovo ist wie eine offene Wunde für die Serben. Dort befinden sich unsere Kirchen, Klöster und all das, was wir von unseren Vorfahren geerbt haben."


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Der 28. Juni ist ein wichtiges Datum der serbischen Geschichte. Am Tag des Vidovdan (übersetzt: Tag des Sehens) fand 1389 die Schlacht auf dem Amselfeld zwischen Serben und Osmanen statt. Beide Heerführer, Fürst Lazar und Sultan Murad I., kamen ums Leben. Das serbische Volk hat sich mit diesem Datum und seinen Folgen identifiziert. "Am Vidovdan feiern wir unsere Entscheidung, als Christen und nicht unter dem Islam leben zu wollen", sagt Erzpriester Krstan Kneeviæ. Kosovo ist aus serbischer Sicht gleichbedeutend mit Heldentum, Mut und Opferbereitschaft. Der Kosovo Mythos ist der Nationalmythos der Serben, ein Teil ihrer Ethik und verbunden mit dem Kampf um staatliche Erneuerung.

"Kosovo bedeutet für die Serben dasselbe wie Jerusalem für die Juden. Kosovo war das Zentrum der serbisch-orthodoxen Kirche und des serbischen Staates", erklärt Erzpriester Kneeviæ von der serbisch-orthodoxen Kirche in Wien-Landstraße. "Jerusalem ist das Symbol für das jüdische Königreich und gleichzeitig Mittelpunkt des religiösen Lebens mit dem Salomonischen Tempel", vergleicht Kneeviæ.

Großmärtyrer Car Lazar

Ein ganzer Zyklus episch nationaler Gedichte ist der Schlacht gewidmet. Diese Werke veranschaulichen das Dilemma: Soll man auf das Schlachtfeld gehen im Wissen, dass der Kampf gegen die osmanische Übermacht vermutlich verloren ist, oder soll man die Schlacht vermeiden, sich dem Islam unterwerfen und somit einen moralischen Verlust erleiden? Fürst Lazar hat sich für das Himmelreich und nicht für das irdische Leben entschieden. Seine Entscheidung für spirituelle Werte wurde zum serbischen Ideal.

Die serbisch-orthodoxe Kirche nahm Car Lazar (Fürst Lazar) als Großmärtyrer in die Reihe der Heiligen auf. Sein Leib wurde in das zwischen 1375 und 1377 erbaute serbische Kloster Ravanica überführt und dort aufbewahrt. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die sterblichen Überreste nach Belgrad in die Kathedrale des Heiligen Erzengels Michael überführt. Im Jahr 1989 wurden die Reliquien des heiliges Lazar anlässlich der Sechshundertjahrfeier der Schlacht wieder in das Kloster Ravanica gebracht.

Im Rahmen der Feierlichkeiten hielt auch Slobodan Miloeviæ eine Rede vor einer Million Menschen. Die Rede gilt als Vorbote zum Krieg in Ex-Jugoslawien Anfang der 90er Jahre Die Veranstaltung wurde als nationalistische Manifestation gesehen. Zwölf Jahre später wurde Miloeviæ an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert.

Vidovdan in Wien

Vidovdan ist heute ein Nationalfeiertag, den auch die Wiener Serben feiern. Bozidar Duanic gehört zur zweiten Generation der Zuwanderer. Er kommt regelmäßig in die Kirche am Vidovdan. "Obwohl ich schon viel über dieses Datum weiß, höre ich immer gerne neue Erkenntnisse über seine Bedeutung für unsere Geschichte", meint er.

Auch für die österreichische Geschichte ist das Datum bedeutsam. An diesem Tag erschoss Gavrilo Princip im Jahr 1914 in Sarajevo Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie. Die Folge war der Erste Weltkrieg.

* Am 28. Juni findet eine Veranstaltung im Theater Akzent statt, an der der Chor "Stefan Decanski" und der Belgrader Philosoph Rado Ljuiè teilnehmen.