Ex-Kanzler erinnern sich an Fall des Eisernen Vorhangs. | Wien. Als der ungarische Außenminister Gyula Horn am 27. Juni 1989 gemeinsam mit seinem österreichischen Kollegen Alois Mock den Grenzzaun zwischen den beiden Ländern zerschnitt, musste er sich ordentlich plagen: Eine besonders stumpfe Schere erschwerte den symbolischen Schnitt durch den Eisernen Vorhang.
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Diese und andere Anekdoten ließen bei den zahlreichen prominenten Gästen, die am Dienstagabend in der ungarischen Botschaft in Wien zu einer Festveranstaltung anlässlich des 20. Jahrestages des Falls des Kommunismus geladen waren, leicht sentimentale Freude aufkommen. Ein Zusammenschnitt von Fernsehberichten der dramatischsten Augenblicke der Grenzöffnung erinnerte an den "emotionalen Ausnahmezustand" der damaligen Tage, wie sich der ehemalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ausdrückte.
Der Altkanzler würdigte die Rolle Ungarns als "entscheidenden Dominostein, der letztlich das alles zu Fall gebracht hat" ebenso wie den ehemaligen sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow, ohne den die damaligen Vorgänge "viel schwieriger, vielleicht blutiger" abgelaufen wären. Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky, ebenfalls Festredner, erinnerte an die Zurückhaltung, die etwa in Paris angesichts der Aussicht auf ein vereintes Deutschland vorherrschte, und an den bald darauf ausgebrochenen Jugoslawien-Krieg.
Janos Szekely, damals Kommandant der ungarischen Grenzwache, schilderte die Dynamik der Ereignisse: Man habe mit dem Abbau der Grenzsperre nur eine Normalisierung des Lebens in der Grenzregion herbeiführen wollen, dass darüber der Kommunismus zu Fall kommen könnte, habe man nicht gedacht. Beide Ex-Bundeskanzler nutzten das Gedenken, um für die oft gescholtene EU eine Lanze zu brechen: Vranitzky meinte, für junge Leute heute sei "das neue Europa selbstverständlich", der Umstand, dass das nicht so sei, drohe verloren zu gehen. Schüssel plädierte dafür, die Tür für weitere Beitritte nicht zuzuhalten, den Einigungsprozess eher noch zu beschleunigen als zu stoppen - gerade jetzt, wo bereits "der Schatten des Protektionismus die Wände hochkriecht".