Die Gründung der Ersten Republik steht auch dafür, dass die einfachen Menschen zu wenig gehört wurden.
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Am 12. November vor 100 Jahren wurde unsere Republik gegründet. Anlässlich dieses feierlichen Jahrestages möchte ich ein paar Gedanken zu ihren Anfängen im Jahr 1918 darlegen.
Am Anfang unserer Republik stand die Armut. Die Armut der Kinder und der Kriegswitwen, die Armut der Kriegsversehrten und all jener, die ihre Heimat verloren hatten. Das Wiener Jugendamt stellt 1918 fest, dass 91 Prozent der Wiener Schulkinder an Hunger und Unterernährung litten.
Oft wird an Gedenktagen vor allem jener gedacht, die Großes für unser Land vollbracht haben. Berühmte Namen, bekannte Gesichter. Wir sollten im Gedenkjahr 2018 aber auch an diejenigen denken, deren Namen vergessen sind.
Für mich steht die Gründung der Ersten Republik nämlich symbolisch auch dafür, dass die einfachen Menschen zu wenig gehört wurden, dass ihnen zu wenig zugehört wurde. Nicht dem politischen Gegner und schon gar nicht den Menschen.
Das ist für mich eine der Lehren aus der gescheiterten Geschichte der Ersten Republik - wer auf das Zuhören vergisst, auf die Sorgen der Menschen, der dient nicht seinem Land, der dient nicht den Österreichern, sondern nur sich selbst.
Wenn wir heute Politik gestalten, sollten wir uns öfter die Frage stellen: Haben wir genug zugehört? Dem politischen Gegner, der nicht immer und zwangsläufig unrecht hat. Und haben wir genug auf die Sorgen, Nöte und Ängste der Menschen gehört, deren Vertreterinnen und Vertreter wir zu sein haben?
Es ist einer der großen Erfolge der Zweiten Republik, oft zu- und auch hingehört zu haben. Und das auf Grundlagen, die die vor 100 Jahren gegründete Erste Republik gelegt hatte: einer Verfassung, die immer noch die politische Basis unseres Landes definiert. Und Institutionen, die durch ihr Wirken zu Stabilität beigetragen haben.
Auf dieser Grundlage konnten gemeinsame Antworten gefunden werden, die auch immer eines ausgezeichnet hat: der Respekt vor dem Gegenüber. Eine Politik, die Respekt und Zuhören, Anerkennung und Würde vorlebt, die wird auch in der Lage sein, Politik für jene zu machen, deren Ideen und Meinungen kaum gehört werden. Die Stärke unseres Österreichs sind diese Menschen - ihre Erfolge und Leistungen, ihr Zusammenhalt und ihr Miteinander.
Es liegt heute an uns, eine Erfolgsgeschichte weiterzuschreiben - in dem jeder, der in unserem Land lebt, das Recht hat, seinen Teil zu dieser Erfolgsgeschichte beizutragen.