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Gedenken mit Hintergedanken

Von WZ-Korrespondentin Sonja Blaschke

Politik

Gemeinsam mit Präsident Obama gedachte Japans Premier Abe der beim Angriff vor 75 Jahren Verstorbenen.


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Pearl Harbor. Der japanische Premierminister Shinzo Abe drückte bei seinem Besuch am US-Flottenstützpunkt Pearl Harbor, den Japan vor 75 Jahren attackierte, den Opfern "aufrichtig seine unendliche Trauer" aus. Er sah jedoch wie erwartet von einer Entschuldigung ab. "Der Schrecken des Krieges darf sich niemals wiederholen", sagte Abe bei seiner Rede am Dienstag. Es sei die Aufgabe der ehemaligen Feinde und nun engen Partner Japan und Amerika "an die Macht der Versöhnung zu appellieren". Die gemeinsame Allianz nannte er ein "Bündnis der Hoffnung". Der amerikanische Präsident Barack Obama sagte, er heiße Abe "im Geiste der Freundschaft, wie Japan ihn immer empfangen habe", willkommen.

Am Ende ihres letzten Gipfeltreffens, bevor Obama im Januar sein Amt verlässt, besuchten die beiden Staatschefs gemeinsam das USS Arizona Memorial. An dieser Gedenkstätte wird der rund 2400 Opfer des Angriffs der japanischen Luftwaffe gedacht. Nach der Attacke am 7. Dezember 1941 trat Amerika in den Zweiten Weltkrieg ein.

Obama nannte Abes Besuch im Vorfeld "ein Zeugnis dafür, dass selbst die erbittertsten Feinde die engsten Verbündeten werden können". Sein japanischer Amtskollege sagte, er wolle damit "die Seelen der Opfer besänftigen". Doch höher auf Abes Agenda stehen die Lebenden: Die lange geplante Visite soll die Stärke der bilateralen Allianz demonstrieren, besonders Obamas Nachfolger Donald Trump gegenüber. Dieser hatte sich kritisch zu Japan geäußert. Zugleich will sich der erzkonservative Revisionist Abe als versöhnlicher Pragmatiker präsentieren, nach außen wie innen.

Sicherheitsbündnis in Gefahr

Abe ist nach drei Amtsvorgängern in den 1950er Jahren der vierte japanische Premier, der Pearl Harbor besuchte, und der erste am 1962 erbauten Denkmal. Damit revanchierte er sich für Obamas Hiroshima-Besuch im Mai. Es war der erste eines amtierenden amerikanischen Präsidenten in der Stadt, auf die amerikanische Bomber die erste Atombombe abwarfen und mehr als 100.000 Menschen töteten.

Imagepflege für Abe

Weder Obama entschuldigte sich noch Abe. Ein "Sorry", das weiß Abe, hätte seine nationalistischen Unterstützer in Japan noch mehr verprellt als der Besuch per se. Zudem würde er sich dem Vorwurf der Einseitigkeit aussetzen. Südkorea und China fordern seit Jahrzehnten eine "aufrichtige" Entschuldigung. Japans imperiale Armee hatte asienweit Frauen in die Prostitution gezwungen und die Zivilbevölkerung massakriert.

Statt der Vergangenheit sollte auf Hawaii die Zukunft im Fokus stehen. Denn das seit 1960 bestehende bilaterale Sicherheitsbündnis könnte bald ins Wanken geraten. Es besagt, dass Amerika im Angriffsfall Japan verteidigen würde. Im Gegenzug sind zehntausende amerikanische Soldaten in Japan stationiert - direkt vor den Toren Chinas.

Doch der für seine Sprunghaftigkeit bekannte Trump forderte im Wahlkampf, dass Japan künftig stärker selbst für seine Verteidigung aufkommen solle. Zwar spielt er so Abe in die Hände, der die pazifistische Verfassung ändern und aus der Selbstverteidigungsarmee ein "richtiges" Militär machen will. Doch ist Japan noch nicht so weit. Vor diesem Hintergrund hastete Abe als erster ausländischer Staatschef zum Treffen in den Trump Tower nach New York - obwohl Washington dies klar ablehnte.

Der Besuch ist auch als Imagepflege zu verstehen. Abe hofft, wie schon bei der Übereinkunft mit Südkorea über die Zwangsprostituierten Ende 2015, Japans unrühmliche Rolle im Zweiten Weltkrieg schnell "ad acta" zu legen. Außerdem soll die Visite von seinem Herzenswunsch, das von ihm glorifizierte imperialistische Vorkriegsjapan wieder aufleben zu lassen, ablenken. Daher baut der Machtpolitiker mit schönen Worten und eindrucksvollen Gesten - er und Obama verstreuten pinke Orchideen-Blüten - auf den Show-Effekt zum Jahresende.