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Die Gedenksäule, die am vergangenen Samstag am | Britzer Zweigkanal in Berlin der Öffentlichkeit über- | geben wurde, erinnert an den tragischen Tod des Chris Gueffroy, erschossen von NVA-Soldaten im damaligen Grenzgebiet. Gueffroy war der letzte DDR-Bürger, der seinen Fluchtversuch mit dem Leben bezahlen musste, wenig später wurde die Grenze geöffnet.
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Diese Schüsse und der Tod dreier weiterer Flüchtlinge bildeten den Anlass für die Verurteilung des früheren DDR-Staatsratsvorsitzenden und letzten SED-Generalsekretärs Egon Krenz wegen Totschlags zu sechseinhalb Jahren Haft im sogenannten "Politbüroprozess". Seit Jänner 2000 sitzt der heute 66jährige Krenz im Gefängnis, zur Zeit in Berlin Plötzensee, das er als Freigänger tagsüber von Montag bis Freitag verlassen darf, um eine Tätigkeit bei einer Fluglinie auszuüben.
Das politisch und juristisch äußerst umstrittene Urteil, das in in- und ausländischen Fachkreisen als "völkerrechts- und verfassungswidrig", als "Instrumentalisierung des Rechts zu politischen Zwecken" gewertet wurde, hatte vor allem die Zuständigkeit der sowjetischen Seite für das DDR-Grenzregime nicht berücksichtigt. Die Verfassungsbeschwerde von Krenz, seine Klage beim Europäischen Gerichtshof, seine Anträge auf Haftverschonung bzw. auf vorzeitige Entlassung nach Verbüßung der Hälfte seiner Strafe und Dutzende Gnadengesuche, die andere für ihn stellten, blieben ohne Erfolg.
Fachleute verweisen darauf, dass bis heute Krenz entlastende Passagen aus einem Urteil des Berliner Landgerichts der Öffentlichkeit kaum zugänglich gemacht wurden. Darin heißt es: "Der Angeklagte Krenz sorgte 1989 aktiv und initiativreich dafür, dass es zu keinem Blutvergießen kam". Außerdem habe er Gorbatschow noch einen Nicht-Schießbefehl abgerungen. Zum guten Schluss habe Krenz dafür gesorgt, dass beim Mauersturm keine Schüsse, sondern nur Sektkorken knallten. In seinem Befehl 11/89 habe er "die Anwendung der Schusswaffe im Zusammenhang mit möglichen Demonstrationen grundsätzlich verboten."
Krenz ist von der neuerlichen Ablehung der Strafverkürzung nicht überrascht. Er habe nie Illusionen gehegt "über das Verhalten der BRD-Oberen gegenüber der DDR und ihren Funktionsträgern. Belohnt werde, wer sich der neuen Macht anbiedert. Dieser Preis ist mir zu hoch."
Inzwischen bereitet die Oberfinanzdirektion Berlin für das ehemalige Wohnhaus von Krenz ein öffentliches Bieterverfahren vor. Krenz hatte den Bungalow-Flachbau in Berlin Pankow 1990 in den letzten Tagen der DDR von der "Versorgungseinrichtung des Ministerrats" für 252.000 DDR-Mark erworben. Nach der Wende erklärte die Oberfinanzdirektion den Kauf als nicht rechtmäßig und gewann den mehrjährigen Rechtsstreit. Krenz musste daraufhin das Haus, das zum Bundeseigentum wurde, im April 2003 räumen.