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Gedrückte Feierlaune

Von Veronika Eschbacher

Wirtschaft

Energie-Experte sieht Ende des Gasexportmonopols für Gazprom nahen.


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Moskau. Als Europäer hat man gewisse Vorstellungen, wie es aussieht, wenn Russen feiern. Dass Klischees nicht immer zutreffen, sieht man bei Alexej Miller. Der Chef des russischen Energieriesen Gazprom rattert in einer internen Videokonferenz anlässlich des 20-jährigen Jubiläums die Konzernerfolge der letzten Jahre uninspiriert herunter: größter Gasförderer der Welt, erster Platz bei den Gasexporten, größtes Gasleitungsnetz, Fertigstellung von Prestigeprojekten wie der Gasleitung im Fernen Osten von Sachalin bis Wladiwostok oder der am Boden des Schwarzen Meeres in Südrussland.

Zugegeben, Miller war noch nie bekannt für euphorische Ausbrüche. Aber für Euphorie ist bei Gazprom und seinen 400.000 Mitarbeitern momentan ohnehin wenig Platz. Denn: Zu viele Baustellen bereiten Kopfzerbrechen. Russisches Gas bekommt zunehmend Konkurrenz bei seinem Hauptabnehmer Europa, der für 80 Prozent seiner Erträge sorgt. Einerseits hat das norwegische Unternehmen Statoil die europäische Versorgung um 16 Prozent im vorigen Jahr gesteigert. Andererseits spürt man die indirekten Folgen des Schiefergasbooms in den Vereinigten Staaten: Da die USA durch die steigende Eigenproduktion nun auf Flüssiggasimporte verzichten, landen diese Mengen - zu günstigeren Preisen - in Europa. Das erhöht den Druck auf Gazprom, Preisrabatte zu gewähren. Nachlässe konnten Gazprom im letzten Jahr bereits mehrere europäische Länder abringen, Österreich soll laut OMV heuer im April zum Zug kommen. Es ist fraglich, wie lange Gazprom noch an seinem starren Geschäftsmodell - langfristige Lieferverträge mit ölpreisgebundenen Preisen und fixen Abnahmemengen - festhalten kann.

Zudem ermittelt die EU-Kommission gegen Gazprom wegen möglicher Verstöße gegen Wettbewerbsregeln und Preismanipulationen. Auch das sogenannte "Dritte Energiepaket" der EU - dieses sieht die Trennung zwischen Netzbetrieb, Versorgung und Erzeugung vor, um den Energiemarkt zu liberalisieren - läuft der Strategie von Gazprom zuwider, das sich noch mehr im Gashandels- und Speichergeschäft engagieren will. Probleme mit dem lästigen Nachbarn Ukraine, das im Vertrag festgelegtes, aber nicht abgenommenes Gas im Wert von 5 Milliarden Euro nicht bezahlen will und noch dazu mit Shell ein bahnbrechendes Abkommen zur Förderung der ukrainischen Schiefergasreserven unterzeichnet hat, ärgern zusätzlich.

Im eigenen Land unbeliebt

Der Gasmonopolist hat aber nicht nur im Ausland seine Schwierigkeiten. Auch bei den einfachen Russen kommt der Konzern nicht mehr gut an. "Warum wir Gazprom nicht mögen? Weil sie seit zwanzig Jahren stehlen", sagt der Angestellte Dmitrij. Es ärgere die Bevölkerung, dass sich Gazprom das Image verpasst, dem Land zu dienen und den Menschen zu helfen. "Will man einen Gasanschluss bei seiner Datscha, kostet das im Schnitt 10.000 Dollar. Wo bitte ist da irgendeine Hilfe?", fragt sich der Moskauer. Zudem gäbe es 130 Kilometer weg von Moskau gar keine Gasversorgung.

Putin: Fokus auf Heimmarkt

Das scheint auch dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bewusst zu sein. In seiner Rede bei den Jubiläums-Feierlichkeiten im Großen Kremlpalast in Moskau verlangte er von Gazprom mehr Anstrengungen beim Ausbau der Gasversorgung Russlands: Der heimische Markt müsse Priorität haben. Das passt auch in die Strategie Putins, vor allem die Entwicklung des Fernen Osten Russlands voranzutreiben.

"Das ist nicht nur eine Empfehlung, sondern ein Auftrag", sagt Gerhard Mangott, Energie-Experte an der Universität Innsbruck, zur "Wiener Zeitung". Dieser Auftrag sei aber nicht zuletzt auch im Hinblick auf inner-russische Umwälzungen am Energiemarkt zu sehen.

Private Gasförderer, die bisher wegen des Exportmonopols von Gazprom nur am Binnenmarkt engagiert waren - wie etwa Novatek, aber auch der staatliche Ölkonzern Rosneft -, drängen darauf, ebenfalls Gas exportieren zu dürfen - vor allem Flüssiggas (LNG), dessen Entwicklung Gazprom weitgehend verschlafen hat.

"Der Export von LNG durch private Öl- und Gasfirmen wird bald erlaubt werden. Es wird aber mittlerweile nicht mehr überraschen, wenn auch das Monopol Gazproms für den Export von Pipelinegas fallen wird", meint Mangott. Dass der Konzern die Gunst des Kremls in letzter Zeit sukzessive verloren hat, wird schon lange gemunkelt, mit Argusaugen betrachtet Gazprom den Machtzuwachs des Ölkonzerns Rosneft. Die Feierlaune dürfte Putin somit nicht gehoben haben.