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Gefahr für Schweizer Forschung

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Wegen Streit mit EU muss Regierung in Bern Finanzhilfe für Studenten selbst zur Verfügung stellen.


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Brüssel/Bern. Wenn die EU nicht zahlt, muss eben die Schweiz einspringen. Denn das Referendum, in dem sich die Schweizer vor gut zwei Monaten gegen "Masseneinwanderung" ausgesprochen hatten, hat für das Land auch finanzielle Folgen. Nachdem die Regierung in Bern die Personenfreizügigkeit für das jüngste EU-Mitglied Kroatien sistiert hatte, stoppte Brüssel die Verhandlungen über Forschungsprojekte sowie das Studentenaustauschprogramm "Erasmus".

Dennoch sollen Schweizer auch weiterhin bei einem Studium im europäischen Ausland unterstützt werden, befand der Bundesrat und beschloss eine Übergangslösung. So werden für das laufende Jahr 22,7 Millionen Franken (knapp 19 Millionen Euro) für "Erasmus" zur Verfügung gestellt. Dabei wurden allerdings Prioritäten gesetzt, und die Mobilität erhält Vorzug. Gut 89 Prozent der Mittel werden für diesen Bereich eingesetzt, wie es aus dem Bundesrat heißt, "wobei auch die Kosten für die Incoming-Mobilitäten übernommen werden" - also auch für ausländische Studierende in der Schweiz.

Das bedeutet aber umgekehrt, dass in andere Kooperationsprojekte weniger Geld als ursprünglich vorgesehen fließen wird. Die Finanzierung soll sich auf "exzellente Projekte" beschränken, die den "von Bund und Kantonen festgelegten Bildungszielen entsprechen".

Das bringt auch große Forschungsprojekte in Gefahr. Denn der Stillstand in den Gesprächen zwischen der EU und der Schweiz macht es wenig wahrscheinlich, dass es in einem Monat zu einer Einigung kommt. Da aber läuft die Einreichfrist für ein Programm des Europäischen Forschungsrates aus, das jungen Forschenden zur Verfügung steht und ein Gesamtvolumen von mehr als 850 Millionen Franken (knapp 700 Millionen Euro) hat. Nach Angaben der "Neuen Zürcher Zeitung" will daher nun der Schweizerische Nationalfonds aushelfen. In den kommenden Tagen wolle er eine Ausschreibung für Förderprojekte bekannt geben. Das sei jedoch nur eine "befristete Notlösung", zitiert die "NZZ" den Forschungsrats-Präsidenten des Nationalfonds, Martin Vetterli. Bleibe die Schweiz länger von den europäischen Programmen ausgeschlossen, werde das Niveau des dortigen Forschungsstandortes sinken.

Das Land könnte aber auch weitere Kosten zu tragen haben, sollte es zu keiner Lösung im Streit mit der EU kommen. Denn die sogenannten bilateralen Verträge mit der Gemeinschaft umfassen zahlreiche Bereiche, von Verkehr und Infrastruktur über den Handel bis hin zu einem Stromabkommen.

Tauziehen um Freizügigkeit von Personen

Eine Gesprächsrunde vor wenigen Tagen in Brüssel ist jedoch ohne Erfolg geblieben. Denn bei den Verhandlungen um Kroatien konnte keine Verständigung erzielt werden. Die Schweiz hatte zunächst gehofft, die Personenfreizügigkeit auf Kroaten ausweiten zu können, allerdings ohne das entsprechende Dokument unterzeichnen zu müssen.

Dagegen hatten sich die EU-Staaten lange Zeit gewehrt, mit dem Hinweis, dass das Grundrecht auf freien Personenverkehr garantiert sein müsse. Einige Mitglieder befürchteten außerdem Benachteiligungen für in der Schweiz lebende oder dort arbeitende Unionsbürger.

Über mögliche Zugeständnisse beider Seiten könnte erst wieder Ende des Monats gesprochen werden, wenn das nächste Treffen ansteht. Ob jedoch die EU-Kommission schon kurz danach Verhandlungen mit der Schweiz aufnimmt, die zunächst einmal institutionelle Fragen klären sollen, ist offen. Sie könnte erst die Entscheidungen des Bundesrates abwarten. Dieser will vor dem Sommer seine Vorschläge präsentieren, wie er in den kommenden drei Jahren den Widerspruch zwischen dem Volks-Nein zur Einwanderung und der Personenfreizügigkeit auflösen möchte.