Veröffentlichungen von Dokumenten aus laufenden Verfahren nehmen zu. | Durch Verletzung der Unschuldsvermutung wird Freispruch möglich. | Wien. "Je massiver die Unschuldsvermutung verletzt wird, desto größer wird die Möglichkeit eines Freispruchs", sagte der Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, Harald Bisanz, am Montag in einer Pressekonferenz. Aufgebracht haben die Rechtsanwälte mehrere Fälle in jüngster Zeit: Rainhard Fendrich, Roland Horngacher, Ernst Geiger und vor allem Helmut Elsner.
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In all diesen Fällen sei Informationsmaterial - bei Elsner sogar der Anklageentwurf - an die Medien gelangt, oft noch ehe die Rechtsanwälte der Betroffenen Anklageschriften oder anderes Aktenmaterial gesehen hätten. Die Wiener Rechtsanwaltskammer macht nun Druck auf die Politik, massiv gegen derartige Praktiken vorzugehen. Vor allem Justizministerin Maria Berger und Innenminister Günther Platter müssten für mehr Aufklärung ihrer Beamtenschaft sorgen.
Bisanz und seine Vizepräsidentin Elisabeth Rech wollen, dass die beiden Ministerien den Beamten die Verhaltensregeln schriftlich geben: In einem "Code of Conduct".
Das Justizministerium sieht die Problematik sehr wohl: Einerseits bestünde ein enormes öffentliches Interesse, andererseits gebe es mehrere Personen, die über Informationen verfügten. In diesem Spannungsverhältnis müsse man darauf achten, dass nichts aus der Balance gerate, hieß es auf Anfrage der "Wiener Zeitung" aus dem Büro der Justizministerin. Aber eine schriftliche Order will Berger derzeit nicht ausgeben.
Kein "Code of Conduct" im Justizministerium
"Die Beamten wissen, dass sie unter Amtsverschwiegenheit stehen", sagte Bergers Pressesprecher, Thomas Geiblinger. Außerdem verwies er darauf, dass es einen Medienerlass im Ministerium gebe. Darin ist genau festgelegt, wer über bestimmte Fälle Auskunft geben darf. Darüber hinaus müsse man darauf achten, dass sauber gearbeitet wird und Vorveröffentlichungen in Zukunft nicht mehr vorkämen.
Die Rechtsanwälte sehen in diesen Veröffentlichungen vor allem im Fall Elsner eine Brisanz. Denn wenn die öffentliche Meinung so dominant sei, könnte sich das auf die Urteilsfindung der Schöffen im Hauptverfahren auswirken. Bei so starker öffentlicher Meinung könnten sogar Richter beeinflusst werden.
Aber nicht nur der Prozess könnte durch Vorverurteilungen beeinflusst werden, auch das Urteil selbst. Denn die Menschenrechtskonvention sei da sehr eindeutig, sagte Bisanz. "Die Unschuldsvermutung ist ein Grundrecht unserer Rechtsordnung", sagte Bisanz. Er verwies darauf, dass ein Teil der Verteidigung Elsners genau darauf abzielt. Elsners Anwalt Schubert habe den Fall bereits in Straßburg beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingebracht.
Aus dem Innenministerium war trotz mehrmaliger Urgenz keine Auskunft zu erhalten.