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Gefährliche Nebenwirkung

Von Simon Rosner

Leitartikel

Das uneinheitliche Vorgehen bei AstraZeneca verunsichert.


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Deutschland und Slowenien impfen mit dem Corona-Impfstoff von AstraZeneca nur noch Personen ab 60 Jahren, Großbritannien keine unter 30-Jährigen. Die Niederlande und Dänemark setzen das Vakzin derzeit völlig aus, in Spanien ist dies nur in der Region Kastilien-León der Fall. Australien will unter 50-Jährigen andere Impfstoffe anbieten, wobei dies wiederum nur eine Empfehlung ist. Österreich impft dagegen weiter alle Altersgruppen damit, zumal die EU-Arzneimittelbehörde EMA zwar die seltene Nebenwirkung spezieller Thrombosen bestätigte, gleichsam aber eine Impfung wegen des positiven Nutzen-Schaden-Verhältnisses empfahl.

Dieses uneinheitliche Vorgehen verunsichert. Die Fachleute und Entscheider aller Ländern greifen ja auf dieselben Daten zurück. Natürlich hängt die Berechnung des Nutzen-Schaden-Verhältnisses auch vom Infektionsgeschehen ab. In Australien mit durchschnittlich 15 Neuinfektionen pro Tag fällt die Rechnung eben anders aus als im weit kleineren Österreich mit rund 3.000 Corona-Fällen täglich. Es ist daher schon nachvollziehbar, dass hierzulande der Nutzen der Impfung überwiegt und daher alle Altersgruppen mit AstraZeneca geimpft werden. Die Nebenwirkung ist allerdings eine Tatsache, und es handelt sich auch um eine schwere und schwierig zu behandelnde Erkrankung. In Österreich sind bisher zwei Sinusvenenthrombosen bei den rund 400.000 AstraZeneca-Geimpften aufgetreten. Es waren zwei Frauen, beide haben überlebt. Auch die Entscheidung des Gesundheitsministeriums und der Länder hat eine gefährliche Nebenwirkung: nämlich Eigenverantwortung.

Die Risikoabwägung ist nicht nur von Land zu Land, sondern auch von Person zu Person unterschiedlich. Junge Frauen, ohne Grunderkrankungen mit nur wenigen Kontakten werden - gut informiert und aufgeklärt - womöglich eine andere Entscheidung treffen als Lehrer, die sich im Präsenzunterricht nur bedingt schützen können. Doch Eigenverantwortung hat schon einmal in dieser Pandemie nicht funktioniert.

Aber wer leistet auch Aufklärung? Hausärzte wären dafür geeignet, doch haben diese auch oft nicht die Zeit, die es bräuchte, um all die vielen Fragen zu beantworten. Vor allem aber haben nur wenige von ihnen überhaupt Impfstoffe. Und bei der Massenabfertigung in den Impfstraßen ist Aufklärung schwierig.

Die Entscheidung ist auch politisch heikel. Denn sollte in Österreich eine gesunde Frau an dieser Nebenwirkung sterben, kann man sich nicht auf die unsichere Datenlage berufen. Man müsste vielmehr sagen, man habe um das Risiko gewusst, aber eben in der Gesamtschau den Nutzen höher bewertet. Das Argument ist fachlich schon berechtigt - aber ist es auch politisch akzeptabel?