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Gefährliche Zeiten für Heilige Kühe

Von Walter Hämmerle

Politik

Pröll: Rasches Aus für Hacklerpension und einheitliches Beamtendienstrecht. | "Mehr Gerechtigkeit für Steuerzahler." | Wien. Das Finanzministerium ist nicht die Hofburg und ein herbstlicher Oktobertag kein frühlingshafter Maivormittag. Aber ansonsten war bei dieser Rede zur Lage der Nation im Namen der ÖVP alles wie in den vorangegangenen Jahren: 400 geladene Gäste vor allem aus Politik und Wirtschaft waren am Mittwoch in das Ausweichquartier des Finanzministeriums in den dritten Wiener Bezirk gekommen, um Josef Pröll bei seinem Premierenauftritt dieser Art zu lauschen.


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Neben den üblichen Verdächtigen bei solchen Veranstaltungen machten dem Finanzminister und Vizekanzler auch Vertreter der Religionsgemeinschaften und der Opposition die Aufwartung, mit dabei FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache und Werner Kogler, Vizeklubchef der Grünen.

"Harte Sager" kündigten ÖVP-Mitarbeiter im Vorfeld der Rede zum "Projekt Österreich", so der offizielle Titel, gegenüber Journalisten an. Der Einstieg hatte dann auch einigen Pepp.

Nackte Zahlen zur Begrüßung

Statt einer Begrüßung konfrontierte der Finanzminister die Gäste mit den nackten Zahlen der Krise: "190 Milliarden Euro Schulden, drei Milliarden Neuverschuldung in einem Jahr, acht Milliarden nur für Zinszahlungen im Jahr 2009 und über neun Milliarden weniger Wirtschaftsleistung als vor einem Jahr. Herzlich willkommen im Finanzministerium."

Um diese in Zahlen gegossenen Herausforderungen bewältigen zu können, kündigte Pröll seinen Willen zum Schlachten einiger Heiliger Kühe an. So forderte der ÖVP-Obmann etwa eine rasche Reparatur der eben erst vor einem Jahr - mit den Stimmen der ÖVP - bis 2013 verlängerten Hacklerpension. Der vornehmlich schwarzen Beamtengewerkschaft will er ein einheitliches Dienstrecht für den gesamten öffentlichen Dienst abtrotzen. Und einen großen Wurf bei der Verwaltungsreform will er erreichen, indem die Spitzen der Republik wie bei der Papstwahl kommendes Jahr in eine Konklave gehen und so lange verhandeln, "bis weißer Rauch aufsteigt".

In der Wirtschaftspolitik sprach sich der Vizekanzler im kühl-modernen Ambiente des Finanzministeriums gegen die Subventionierung überkommener Branchen auf und für Investitionen und Förderung von neuen Technologien. Der Begriff der "Innovation" zog sich denn auch wie ein roter Faden durch die gut einstündige Rede Prölls.

Schulvielfalt bleibt Heilige Kuh

In der Bildungspolitik erneuerte Pröll die neue Linie in Sachen Ganztagesschule und kündigte sogar mehr Mittel hierfür an. Nichts zu befürchten haben die Heiligen Kühe jedoch beim Thema Gesamtschule: Hier will Pröll die Vielfalt der Schultypen erhalten und lediglich die Schnittstellenproblematik beheben.

Auch in Fragen der Steuerpolitik sendete er vertrauensbildende Signale an die ÖVP-Klientel, erteilte er doch neuen Steuern eine Absage und plädierte für mehr Leistungsgerechtigkeit. Die Einrichtung eines Transferkontos mit allen öffentlichen Beihilfen an einen Haushalt soll dies sicherstellen. Zum Schluss legte Pröll noch einmal ein ausdrückliches Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit der SPÖ für die volle Legislaturperiode ab.

Die Forderungen Josef Prölls im Detail

(wh) Im Folgenden die inhaltlichen Details aus der Rede von Finanzminister Vizekanzler Josef Pröll.

Finanzmarkt: Pröll kündigt für die "nächsten Wochen ein umfassendes Aufsichts- und Vertrauens-paket für den Finanzplatz Österreich" an. Dieses soll klare Regelungen für Finanzdienstleistungen und eine konsequente Verfolgung von Anlegerschadensfällen beinhalten. Gesetzlich geregelt werden soll, dass jedes Risiko für den Investor in der Bilanz oder für den Verbraucher erkennbar ist.

Erweiterte Befugnisse sowie geschärfte Sanktionsmöglichkeiten für die Finanzmarktaufsicht; diese soll auch letztinstanzlich für die Bilanzaufsicht zuständig sein.

"Financial Education": Einführung eines Fachs "Finanz- und Wirtschaftserziehung" an den Schulen, das 1x1 der Finanz- und Volkswirtschaft den Schülern vermittelt.

Banken sollen künftig nicht mehr zwingend bei Schieflage vom Staat aufgefangen werden, Abkehr vom "too big to fail"-Argument, statt dessen neue Wege zum Schutz von Kundengeldern.

* Exportwirtschaft: Angebot staatlicher Rückgarantien für private Versicherer zwecks Sicherung der Exporte; Volumen laut Experten bis zu fünf Milliarden Euro.

* Forschung: Absage an eine "destruktive Konservierung" nicht mehr lebensfähiger Wirtschaftsstrukturen, stattdessen Schwerpunkt auf Förderung neuer innovativer Branchen. Beschluss eines eigenen Forschungsfinanzierungsgesetzes zwecks längerfristiger Planbarkeit. Gleichzeitig Hebung bestehender Effizienzpotenziale in diesem Bereich. Bessere Bedingungen für Risikokapital in technologienahen Branchen sowie kapitalstärkende Instrumente für Wachstumsunternehmen: Hierfür sollen in den nächsten zwei Jahren gemeinsam mit privaten Anlegern 70 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.

* Bildung: Bekenntnis zur Ganztagsschule und erneute Absage an eine Gesamtschule; Forderungen nach mehr Durchlässigkeit an den Schnittstellen beim Übergang von einem Schultyp zum anderen.

Echte Autonomie: Jede Schule soll ihre Lehrer und ihre Ausrichtung selbst wählen können.

Plädoyer für die Wiedereinführung der Studiengebühren an den Universitäten.

* Budgetkonsolidierung: Im Jahr 2010 soll der Aufschwung konsolidiert werden, ab 2011 muss Konsolidierung wirksam werden.

Verwaltungsreform: Entscheidungs- und Finanzierungsverantwortung in einer Hand; ein gemeinsamer öffentlicher Dienst für Österreich als langfristiges Ziel. Vorschlag einer Art Konklave zur Verwaltungsreform im nächsten Jahr: "Bundeskanzler, Finanzminister, Landeshauptleute und die Spitzen der Verwaltung sollen so lange verhandeln, bis weißer Rauch aufsteigt."

Gesundheit: Bündelung sämtlicher Finanzierungsströme und eine Finanzierung aus einem Topf; bessere Vernetzung von niedergelassenen Ärzten und Spitälern, Stärkung der Rolle des Hausarztes.

* Pensionen:Die durchschnittliche Pensionsdauer steigt seit 1970 von 13 Jahren auf 22 Jahre im Jahr 2009. Zusätzlich steigt die Zahl der Pensionisten von derzeit 1,4 Millionen auf 2,1 Millionen im Jahr 2030. Um diese Entwicklung zu bewältigen, fordert Pröll ein Aus für diverse Ausnahmeregelungen von den "Pensionssicherungsreformen" der vergangenen Jahre; "unverzügliches Handeln" bei der Hacklerpension, deren Verlängerung bis 2013 aus heutiger Sicht mehr als 2 Milliarden Euro Mehrkosten verursacht. Der Anteil der "Hackler" an allen vorzeitigen Alterspensionen betrug im September schon mehr als zwei Drittel. Neuordnung des Zusammenspiels von Hacklerregelung, Invaliditätspension und Schwerarbeiterregelung mit dem Ziel, die Menschen länger in Arbeit zu halten.

* Steuern: Ruf nach mehr Leistungsgerechtigkeit in der Steuerpolitik, Absage an die Einführung neuer Steuern - mit Ausnahme einer EU-weiten Transaktionssteuer auf Aktien; Vorschlag auf Einführung eines allgemeinen Transferkontos, auf dem alle staatlichen Beihilfen pro Haushalt zusammengeführt und dargestellt werden; Forderung nach einem einfachen, transparenten Steuersystem.

Siehe auch:Das visionäre Feuer fehlte völlig