Zum Hauptinhalt springen

Gefährlicher Südsee-Mix aus Wut und Armut

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Politik

Frankreichs Karibikinsel Guadeloupe durch nationalen Streik gelähmt. | Paris/Basse-Terre. An einem Ort, mit dem man stets heiteren Sonnenschein verbindet, braut sich ein gewaltiges Gewitter zusammen: Immer lauter, immer schriller schallen wütende Protestrufe aus den französischen Karibikinseln über den Atlantik. So laut und schrill, dass sie im Elysee-Palast nicht länger überhört werden können. Zumal inzwischen auch in Paris demonstriert wird.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Uns wird immer gesagt: Was wollt ihr, ihr habt Sonne und Strand. Das macht aber nicht satt", schimpft die Exil-Pariserin France-Lise, deren Familie auf Guadeloupe lebt. Seit dem 20. Januar steht dort das öffentliche Leben still, Schulen, Supermärkte und Tankstellen sind geschlossen und die Menschen zu Tausenden auf den Straßen. Vier Wochen hat die französische Staatsregierung die sozialen Unruhen weitgehend ignoriert - und sie damit wohl noch angestachelt. Inzwischen haben sich die Demonstrationen auf Martinique, Französisch-Guyana und die Insel La Réunion ausgeweitet.

In erster Linie erheben sich die Menschen gegen die hohen Preise. Wetter und Landschaft auf den Antilleninseln mögen traumhaft sein - die Lebensbedingungen sind es aufgrund niedriger Löhne und hoher Lebenshaltungskosten nicht. Was Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze betrifft, hinken die Überseegebiete dem französischen Festland weit hinterher.

Die Gewerkschaften fordern eine Anhebung der Gehälter bei gleichzeitiger Senkung der Preise für alltägliche Güter um 20 Prozent. Das Pariser Angebot einer kurzfristigen "Monatsprämie" weisen sie als unzureichend zurück. Die Verhandlungen sind in einer Sackgasse. Hinzu kommen die sozialen Spannungen, die in der Kolonialgeschichte der französischen Übersee-Departements gründen. Die weiße Minderheit, die von ehemaligen Sklavenhaltern abstammt, hat nach wie vor den größten wirtschaftlichen Einfluss und besetzt die Führungspositionen in den meisten Unternehmen. Die linksradikale Abgeordnete von Französisch-Guayana, Christiane Taubira, spricht von einer Art "sozialer Apartheid" auf den Antilleninseln und fordert den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy dazu auf, endlich aktiv zu werden.

Dieser hat nun angekündigt, "ohne Aufschub" einen Rat einzusetzen, der sich mit der Neugestaltung der Politik auf Übersee beschäftigen soll. Für 2009 wurden Maßnahmen in Höhe von 185,3 Millionen Euro für Guadeloupe angekündigt.

Bislang verliefen die Unruhen weitgehend gewaltfrei, am Montag jedoch wurden erstmals Demonstranten festgenommen, Straßenabsperrungen und ein Geschäft gingen in Flammen auf. Das Donnergrollen wird lauter.