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Gefangen in der Obrigkeit

Von Bernd Vasari

Politik
Bürgerinitiative war früher - heute stehen die Grünen auf der anderen Seite.
© Nathaniel Minor

Bürgerinitiativen kritisieren fehlende Transparenz bei Projekten der Stadt.


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Wien. Seit ihrer Gründung Anfang der 1980er Jahre waren die Grünen in der Politik der erste Ansprechpartner, wenn es um Bürgerinitiativen ging. Auch, weil sie selber ein Ergebnis dieser Bewegungen sind. Doch die Zeiten ändern sich. Heute sitzen die Grünen - wie in Wien - selber an den Hebeln der Macht. Nun gehören sie zur Obrigkeit. Das spürte Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou vor kurzem bei einer Veranstaltung im Odeon-Theater in der Leopoldstadt.

Der Stadtentwicklungsplan (Step) 2025 soll im kommenden Jahr präsentiert werden. Ein wesentlicher Kernpunkt darin: Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie. Im Odeon-Theater sollten Interessierte die Möglichkeit haben, ihre Gedanken und Anregungen zu dem alten Stammthema der Grünen kundzutun. Vassilakou stand Rede und Antwort.

Bereits in ihrem Eingangstatement klang es wie eine Entschuldigung, als sie sagte, dass die Stadt mit Bürgerbeteiligung nicht allzu viel Erfahrung habe. Man würde deshalb erst am Anfang stehen. Es sei erstmals eine Systematik nötig, etwa ab welcher Prozessgröße Bürger miteinbezogen werden müssen. Auch die Verbindlichkeit soll definiert werden. "Wir wollen klare Regeln und eine klare Tradition entwickeln", sagt sie. Grundlage dieser Tradition soll ein Regelbuch sein, das 2014 vorgelegt werden soll.

Keine Ausdehnung ohne Konflikte

Die Stadt würde bis 2030 in der Größe der Einwohnerzahl von Graz wachsen, ohne Konflikte werde die Ausdehnung nicht verlaufen. Manche Konflikte werden auch unlösbar sein. "Wer Sturm läuft, dass die Wiese am Nachbargrundstück verbaut wird und dabei vergisst, dass sein Haus auf einem Grundstück steht, wo früher auch grüne Wiese war, den werden wir für Partizipationsprozesse nicht gewinnen können." Es sollen daher jene angesprochen werden, die zwar nicht immer von den Ideen der Stadt begeistert seien, aber sich dem Prozess des "Gebens und Nehmens" stellen wollen. Bürgerbeteiligung solle Ausgleich schaffen.

Dass es vonseiten der Stadt noch Aufholbedarf in Sachen Bürgerbeteiligung gebe, bestreitet im Saal niemand. Im Gegenteil. Viele, die selber schon seit Jahren in Bürgerinitiativen aktiv sind, kritisieren die gängige Praxis. So wie etwa Wolfgang Veit, der bereits vor mehr als 30 Jahren gemeinsam mit anderen die Bebauung der Steinhofgründe im 16. Bezirk erfolgreich verhindern konnte. Heute ist er wieder auf den Beinen. Auch dieses Mal geht es um die Bebauung der Steinhofgründe. Von der Stadt ist er enttäuscht. Es gebe keine Transparenz und zuständige Magistrate würden ihre Auskunft verweigern, sowie Unterlagen zu dem Bauprojekt zurückhalten. Vielen Menschen im Publikum ergeht es ähnlich.

Fast ungläubig lauscht das Publikum den Ausführungen von Vassilakou, die die Beamten der Magistratsabteilungen in Schutz nimmt. Es gebe das Amtsgeheimnis in Österreich, sagt sie. Darüber sei sie zwar auch nicht glücklich, aber die Beamten müssten sich daran halten, um nicht ihren Job aufs Spiel zu setzen. Dass es allerdings auch eine Auskunftspflicht gebe, wie Stimmen aus dem Publikum einwerfen, ignoriert die Vizebürgermeisterin. Sie räumt aber ein, dass die Stadtverwaltung noch zehn Jahre brauchen werde, bis Partizipationsprozesse reibungslos ablaufen werden. Bis dahin sollen externe Experten aushelfen.

Andrea Maria Dusl, Autorin und Filmemacherin, nimmt die Beamten in die Pflicht. Viele Beamten würden vergessen, dass sie auch Bürger dieser Stadt seien. "Es müsste Beamten geben, die streiken, weil sie mit Bürgern in Kontakt treten wollen. Sie müssen dabei nicht einmal ein Gesetz brechen, den Streik ist in Österreich erlaubt." Einen Satz, den man früher wahrscheinlich von Grünen Politikern gehört hätte.

Das von Vassilakou vorgeschlagene Regelbuch stößt im Publikum auf Unverständnis: Wer stellt hier für wen die Regeln auf, lautet der Tenor. Eine ältere Dame erzählt über einen Wanderweg in Dornbach, der "aus Sicherheitsgründen" gesperrt wurde. Innerhalb von wenigen Tagen wurden mehr als 700 Unterschriften zur Erhaltung des Weges gesammelt und bei der Bezirksvertretung abgegeben. Vassilakou wundert sich darüber, dass sie noch nie etwas von der Initiative gehört habe. Auch weil sie in der Gegend wohne. Vielleicht werde sie ja auch der Bürgerinitiative beitreten, sagt sie. Das glaubt ihr an diesem Abend aber niemand.