Umfragen prägen massiv den deutschen Wahlkampf. Das zeigt sich am Beispiel von Union-Kanzlerkandidat Armin Laschet.
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Die Umfragen zum deutschen Wahlkampf sind wahrscheinlich nicht mehr als der Stand des gegenwärtigen Irrtums. Denn die Balken, die die einzelnen Zustimmungswerte anzeigen, gehen wie in einer Achterbahnfahrt hinauf und hinab.
Im Frühling standen die Grünen oben, stürzten dann aber ab, woraufhin Anfang des Sommers die Union scheinbar uneinholbar in Front lag. Doch genau so schnell, wie sie nach oben gingen, stürzen die Werte der Union nun nach unten. Und nun schleicht sich die lange Zeit vollkommen abgeschlagene SPD an die Spitze heran - manche Umfrageinstitute sehen die Sozial- schon vor den Christdemokraten.
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Freilich sind diese Schwankungen immer aktuellen Ereignissen geschuldet. Den Höhenflug der Grünen beendeten die Plagiatsvorwürfe gegen Spitzenkandidatin Annalena Baerbock, und dem CDU-Frontmann Armin Laschet hängt immer noch sein deplatziertes Lachen nach, das er bei einem Besuch der von der Flutkatastrophe heimgesuchten Regionen zeigte. Dem SPD-Spitzenkandidaten Olaf Scholz ist so ein Fehler bisher nicht unterlaufen, mit seiner ruhigen Art hat er nun eine Dynamik zu seinen Gunsten ausgelöst.
Zweifel an Laschet
Aber auch wenn sich die Umfragen wieder schnell ändern können und Wahlergebnisse immer öfters massiv von ihnen abweichen - die Erhebungen zeigen, wie sprunghaft große Teile der Wählerschaft geworden sind. Somit prägen sie maßgeblich die Dynamik in einem Wahlkampf.
So ist es auch nur bedingt glaubwürdig, wenn Laschet am Montag bei einer Pressekonferenz verkündet, dass es ihn "gar nicht" interessieren würde, dass er auch beim ersten bundesweit im Fernsehsender RTL übertragenen "Triell" mit den anderen beiden Kanzlerkandidaten Scholz und Baerbock in Blitzumfragen weniger gut ankam als die beiden Konkurrenten. Gerade den Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen bringen die jüngsten Umfragen massiv unter Druck. Nicht nur wird seine Eignung als Spitzenkandidat in Frage gestellt, auch muss er sich ständig Zurufe - allen voran von seinem einstigen Konkurrenten um die Spitzenkandidatur, Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder von der CSU - anhören, wie man gut und richtig wahlkämpft. Die Hauptforderung lautet dabei: Laschet und die gesamte Union müssten offensiver werden.
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Genau das soll nun offenbar geschehen. Die Union will bis zur Bundestagswahl am 26. September noch eine Themenoffensive setzen - und diese Themen mit Gesichtern verbinden. Am Montag war einmal der Klimaschutz an der Reihe, andere Schwerpunkte wie Digitalisierung und Sicherheit sollen noch folgen.
Laschet kündigte an, dass er bei den erneuerbaren Energien Tempo machen will. Für den Bau eines Windrads würden derzeit sechs Jahre gebraucht, Ziel der Union seien sechs Monate. Es gehe darum, die "Energiewende als Motor für den Klimaschutz und "für neue Arbeitsplätze" zu nutzen. Dafür wurde schon ein Team gebildet, dem etwa der stellvertretende Fraktionschef Andreas Jung angehört.
Darüber hinaus betonte Laschet, dass es die Energiewende nicht gegen, sondern nur gemeinsam mit der Wirtschaft geben könne. Die Union will zudem den Bau von Solaranlagen auf Hausdächern finanziell fördern, dies aber auf keinen Fall wie die Grünen verpflichtend einführen. Laschet bemühte damit auch eine Abgrenzung, die CDU/CSU im Endspurt des Wahlkampfes nun immer stärker betonen.
Warnung vor Linksbündnis
Während sich die Union als die moderate Kraft der Mitte präsentiert, mit der es auch keine Steuererhöhungen geben wird, werden die Grünen als regulierungswütige, wirtschaftsfeindliche Verbotspartei dargestellt. Damit einher geht die Warnung vor einem Linksruck, sollten Grüne, SPD und Linke gemeinsam regieren.
So kann der Union-Fraktionschef im Bundestag, Ralph Brinkhaus, den aktuellen Umfragen sogar etwas abgewinnen. Dass laut diesen ein Linksbündnis möglich sei, "wird unsere Wähler und Wählerinnen mobilisieren", sagte er dem aktuellen "Spiegel".
Um diesen Mobilisierungseffekt zu erreichen, schießt sich die Union auch stärker auf die SPD ein. Hinter Scholz stehe eine "weit nach links gerückte SPD mit Kevin Kühnert und Saskia Esken", sagte Brinkhaus. Auch in einem neuen Werbespot stellt die Union Scholz in die Nähe des jungen Vizeparteivorsitzenden und der bei den Wählern mäßig populären Vorsitzenden. Scholz wird dabei vorgeworfen, dass er zu Ideen seiner Parteifreunde wie Steuererhöhungen und die Abschaffung von Sanktionen bei Sozialhilfe schwiege. Der Ton in dem Videospot ist sehr spöttisch.
Auch diese Dynamik bringen Umfragen: Wenn sie ein enges Rennen prognostizieren, wird der Wahlkampf untergriffiger und aggressiver.