Ein Schriftsteller stellt sich gegen den Bau der Trasse einer Hochgeschwindigkeitsbahn, die Turin mit Lyon verbinden soll.
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Sa-bo-ta-ge, Substantiv, feminin: absichtliche (planmäßige) Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit politischer, militärischer oder wirtschaftlicher Einrichtungen durch (passiven) Widerstand, Störung des Arbeitsablaufs oder Beschädigung und Zerstörung von Anlagen, Maschinen o. Ä. So definiert der Duden dieses Wort. Für Erri de Luca bedeutet es, dass er für eine Dauer von bis zu fünf Jahren ins Gefängnis kommen könnte. Nicht etwa, weil der gefeierte Schriftsteller sie begangen hätte, sondern weil er dazu aufgerufen haben soll. Dem 64-jährigen Italiener stößt nämlich der Bau des Mont-Cenis-Basistunnels sauer auf, einer Eisenbahntrasse von Turin nach Lyon. Umweltschützer laufen seit Jahrzehnten gegen das Projekt sturm, das künftig eine Hochgeschwindigkeitsbahn durch die Alpen führen würde und durch das schmale Susatal unterhalb des spektakulären Bergklosters von San Michele. Das Tal würde so noch weiter zerschnitten und Naturgrund vernichtet, sagen die Kritiker. Auch der dazugehörige Bau eines 57 Kilometer langen Tunnels zwischen dem Susatal in Italien und dem Gebiet Maurienne in Frankreich ist umstritten, da er angeblich durch asbest- und uranhaltiges Gestein führt. Davon abgesehen ist das Projekt auch nicht ganz billig: Kolportierte 25 Milliarden Euro soll es bis zu seiner Fertigstellung im Jahr 2030 kosten. Also entschloss sich de Luca gemeinsam mit anderen Intellektuellen, Umweltschützern und Anwohnern mobil zu machen gegen den Bau der Linie der TAV (Treni ad Alta Velocità, auf Deutsch: Hochgeschwindigkeitszüge). In einem Interview mit der italienischen "Huffington Post" und der Nachrichtenagentur Ansa erklärte er: "Sabotage ist notwendig, damit verständlich gemacht werden kann, dass der TAV ein schädliches und nutzloses Werk ist." Das legte ihm das mit dem Bau beauftragte Unternehmen Lyon Turin Ferroviaire als "Anstiftung zu einer Straftat" aus und klagte. Mitten in einer Zeit, in der seit den Anschlägen auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" in Frankreich die Verteidigung der Meinungsfreiheit als hohes Gut beschworen wird, wird de Luca seit Mittwoch der Prozess gemacht. Und genau auf diese Meinungsfreiheit beruft sich der Schriftsteller. "Es gibt hier einen neuen Willen zu zensieren", sagte er. Er lasse sich auch nicht vorschreiben, in welchem Sinne das Wort "sabotieren" an sich zu verwenden sei. Die Bedeutung sei nämlich nicht nur auf "Zerstörung" beschränkt, sondern werde vor allem im Sinne von "behindern" verwendet. Auch hätte er gerne gewusst, zu welcher tatsächlich erfolgten Straftat er bei dem - seinen Worten nach - militärisch gesicherten Bau aufgerufen habe. Letztlich gehe es aber in diesem Prozess gar nicht um ihn: "Mir wird zwar der Prozess gemacht, aber dieser Prozess wird von der öffentlichen Meinung beobachtet."