Das Drama um die Toten der Gaza-Solidaritätsflotte hat international für Empörung gesorgt - und lenkt den Blick auf die Umstände, unter denen rund 1,5 Millionen Menschen im Gaza-Streifen ihr Leben fristen. Das weitgehend aus Sand und Dünen bestehende Gebiet ist von Israel auf der einen und Ägypten auf der anderen Seite hermetisch abgeriegelt. Ziel ist es, die radikal-islamische Hamas, die 2007 handstreichartig die Macht übernommen hat, zu isolieren.
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Israel argumentiert, dass man vor allem verhindern wolle, dass Waffen in den Küstenstreifen gelangen. Tatsächlich hat die Sperre das ganze Wirtschaftsleben völlig zum Erliegen gebracht, es fehlt beispielsweise an allen wichtigen Rohstoffen, die Versorgung mit Elektrizität ist massiv eingeschränkt. Humanitäre Hilfsgüter dürfen die Grenze nur kontingentweise passieren. Es herrscht Mangel an Nahrungsmitteln, Wasser, sanitären Einrichtungen und Ärzten. In Israel arbeiten dürfen die Palästinenser nicht - sie sind offiziell Bewohner von "feindlichem Gebiet". Die Arbeitslosigkeit ist enorm hoch, Schätzungen zufolge hat jeder Zweite keinen Job.
Nicht umsonst wird der Gaza-Streifen von vielen Palästinensern als "Großes Gefängnis mit Meerblick" bezeichnet; wer drin ist, kommt tatsächlich so leicht nicht wieder heraus. Zwar gibt es unterirdische Tunnel nach Ägypten, durch die heiß begehrte Güter geschmuggelt werden - diese werden aber von der israelischen Luftwaffe regelmäßig bombardiert. Der Gaza-Krieg im Winter 2008/09 - mit 1400 Toten und 5000 Verletzten - hat die Infrastruktur in dem teilweise nur fünf Kilometer breiten Küstenabschnitt zusätzlich zerstört.
Eingepfercht, arbeitslos und mit Mangel konfrontiert - unter diesen Umständen gedeihen Fundamentalismus und Hass auf Israel. Während die Bevölkerung leidet, sitzt die radikalislamische Hamas so fest im Sattel wie eh und je. Sollte Israel das Kalkül gehabt haben, mit der Isolations-Politik die Bevölkerung gegen die Islamisten aufzubringen und gemäßigte politische Kräfte an die Macht zu bringen, so ist diese Idee gescheitert. Denn eine Zivilbevölkerung, die bombardiert und ausgehungert wird, richtet ihren Hass gegen den äußeren Feind und ist nicht bereit, die eigene Führung zu stürzen. Im schlimmsten Fall verfallen die Menschen in eine Art kollektive Apathie.
Von Nahost-Friedensgesprächen kann derzeit jedenfalls keine Rede mehr sein. Israels Premier Netanjahu hat zuletzt öfters die Bemühungen Washingtons, eine Annäherung zwischen Israelis und Palästinensern zuwege zu bringen, torpediert. Mit dem jüngsten Skandal dürfte ihm das nachhaltig gelungen sein.